Eklat beim Vorentscheid Kümmerts Entscheidung ist nur eins: unverständlich!

Meinung | Düsseldorf · Andreas Kümmert hat den ESC-Vorentscheid gewonnen, will aber nicht für Deutschland zum Finale nach Wien fahren. Nach einem spannenden Fernsehabend bleiben viele Fragen offen.

Eurovision Song Contest: Eklat um Andreas Kümmert
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So lief der deutsche Vorentscheid zum ESC

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"Ich nehme diesen Preis nicht an", sagte Marcel Reich-Ranicki, als er vor sieben Jahren für einen Eklat beim Deutschen Fernsehpreis sorgte. Vor laufender Kamera lehnte Reich-Ranicki den Ehrenpreis für sein Lebenswerk ab. Und Thomas Gottschalk, der die Laudatio auf den 88-Jährigen hielt, schaute dumm aus der Wäsche.

Zugegeben: Andreas Kümmert ist dem 2013 verstorbenen Literaturkritiker intellektuell unterlegen. Aber mit einem ,Nein' für einen Paukenschlag sorgen, kann der 28 Jahre alte Rocksänger mindestens genauso gut. Er sei nicht in der Verfassung nach Wien zu reisen, um Deutschland beim Eurovision Song Contest zu vertreten. "Ich gebe meinen Titel ab." Dabei hatten ihn die Zuschauer beim deutschen ESC-Vorentscheid, ausgestrahlt zur Prime Time in der ARD, zum Sieger gekürt.

Reich-Ranicki hatte 2008 zumindest eine plausible Begründung, den Preis abzulehnen: Er wolle nicht in einem Atemzug mit den ganzen Blödsinnsformaten genannt werden, die man in Deutschland heute zu sehen bekommt, sagte er damals. Und alle fanden: Der darf das. Irgendwie. Aber Kümmert?

Schulabbrecher, Querdenker, Superstar. So lässt sich die bisherige Erfolgsgeschichte von dem "The Voice Of Germany"-Gewinner beschreiben. Er gilt als eigenwillig, ungewöhnlich und unprätentiös. Aber seine Entscheidung vom Donnerstagabend ist für den neutralen Beobachter im besten Falle eins: unverständlich.

Kümmert hat sich auf das Projekt eingelassenen, er performte zwei seiner eigenen Lieder, die vorher bei den Radiostationen rauf-und runterliefen, und stellte sich zur Wahl. Tausende Menschen stimmten für den Sänger ab, gaben Geld (14 Cent pro Anruf) aus, fieberten mit ihm mit. Und natürlich auch mit seinen Gegnern, die ebenfalls mit dem Druck umgehen mussten. Kümmert wäre es all diesen Menschen schuldig gewesen, auch nach Wien zu fahren. Jetzt dürfte er ein paar Fans weniger haben.

Er sei bis kurz vor der Sendung erkältet gewesen, er habe Fieber gehabt, heißt es. Vielleicht ist es ja mehr als das. Vielleicht leidet der Shootingstar, der seit einigen Monaten im Rampenlicht steht, ja an mehr als an einer Grippe. Dann hätte er aber noch vor der Show die Reißleine ziehen müssen. Der Fairness zuliebe. Vielleicht spielen aber auch die Vorwürfe, Kümmert habe Konzert-Besucherinnen vor Kurzem angeblich sexuell beleidigt, eine Rolle. All das weiß nur der junge Musiker selbst.

Was bleibt sind viele offene Fragen und die Erkenntnis, das so ein Fernsehabend in der ARD tatsächlich spannend sein kann. Ach ja: Eine Siegerin gab es am Ende auch. Ann Sophie fährt nach Wien. Sie hat den Preis angenommen. Einer muss es ja tun. Sonst gewinnt am Ende noch Australien.

(jam)
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