Ann Sophie bleibt beim ESC ohne Punkt Deutschland muss seinen nationalen Vorentscheid überdenken

Meinung | Düsseldorf · Zum ersten Mal in 50 Jahren ESC hat Deutschland keinen Punkt bekommen. Ann Sophie wurde Letzte, zusammen mit den ebenfalls punktlosen Österreichern. Das schmerzt, und nun kann man sich lange einreden, dass das Lied nicht soooo schlecht war und dass die Sängerin keinen Fehler gemacht hat. Das Problem war ein ganz anderes.

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Die Ursache für das Debakel liegt in diesem Fall nicht in Angela Merkels Euro-Politik und einer osteuropäischen Punkte-Mafia. Vielmehr liegt sie in diesem Jahr im kuriosen nationalen Vorentscheid, bei dem der Sieger Andreas Kümmert plötzlich zurückzog und die 24-Jährige von der Nummer zwei zur Nummer eins wurde. Sie war nicht die Gewinnerin, sie war die 1b-Lösung - immer mit dem Makel behaftet, dass sie vielleicht nicht Zweite geworden wären, wenn die Musikfans im Wettbewerb nicht für Kümmert, sondern für einen anderen Kandidaten hätten stimmen müssen.

Eine Welle der Begeisterung hat Ann Sophie in Deutschland vielleicht auch deshalb nie ausgelöst, es schwang immer ein wenig Mitleid mit und die Aufmunterung: Nun muss sie es halt machen, wir haben ja sonst keinen anderen mehr! Hätte man in einer deutschen Fußgängerzone nach dem ESC-Teilnehmer gefragt, wären ratlose Gesichter die Antwort gewesen.

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Die relative Gleichgültigkeit lässt sich auch an der schwachen Quote von nur 8,1 Millionen deutschen Zuschauern ablesen - die schlechteste Quote seit sechs Jahren. Ob sich die Sängerin nach diesem Erlebnis und Abend in Wien noch einmal bei Kümmert für das Startplatz-Geschenk bedanken würde, ist fraglich. Er hat ihr wirklich keinen Gefallen getan.

Die ESC-Verantwortlichen sollten nun aber dringend drüber nachdenken, ob der nationale Vorentscheid in dieser Form tatsächlich funktioniert. Andere Länder schicken renommierte Künstler: Der schwedische Gewinner Måns Zelmerlöw zum Beispiel ist schon ein erfolgreicher Musiker in seiner Heimat, ebenso wie das drittplatzierte Trio Il Volo, das das legendäre San-Remo-Festival gewonnen hat.

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Der Erfolg von Lena Meyer-Landrut 2010 in Oslo hat gezeigt, wie neue Vorentscheid-Formen schon vor dem Finale Aufmerksamkeit schaffen - auch international. Über Wochen musste sie sich beweisen und erarbeitete sich Fans und Gegner. Sie war Gesprächsstoff, die Menschen diskutierten über ihr Stimmchen und den kuriosen englischen Akzent. So hat es sogar mit dem ersten deutschen Sieg seit 28 Jahren geklappt. Ein Umdenken beim Vorentscheid garantiert sicher nicht Erfolge in Serie, aber zumindest mehr Punkte. Mut ist gefragt und wird von den europäischen Musikfans belohnt: Belgien und Lettland haben mit außergewöhnlichen Beiträgen Courage bewiesen. Sie belegten Platz vier und sechs.

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