Konzertkritik Für immer 1994: Das Comeback von Blumfeld

Düsseldorf · Sieben Jahre nach ihrer Auflösung kehrte die Hamburger Band in Köln auf die Bühne zurück.

 Blumfeld haben ein gelungenes Comeback in Köln zelebriert.

Blumfeld haben ein gelungenes Comeback in Köln zelebriert.

Foto: Blumfeld, Martin Eberle

Gegen Ende dieses Abends konnte man die Musik gar nicht mehr genießen, weil die Angst so groß war, dass das Konzert gleich vorüber sein würde. Jochen Distelmeyer stand auf der Bühne der Live Music Hall in Köln, sein Hemd war so nass, dass es wie eine zweite Haut am Körper klebte. Er zündete sich eine Zigarette an, was cool aussah, aber Unsinn war, weil sie ihn bloß bei der Arbeit behinderte. Also warf er sie weg und sang: "Sind zwei zu viel, um frei zu sein? / Oder brauch' ich Dich, um ich zu sein?"

 Jochen Distelmeyer.

Jochen Distelmeyer.

Foto: DDP

Nicht wenige unter den 1500 Zuhörern schauten auf ihre Unterarme — da war Gänsehaut. Die Hamburger Band Blumfeld gab 2007 ihre Trennung bekannt, aber nun kehrt sie in Urbesetzung mit Eike Bohlken und André Rattay für eine Handvoll Konzerte auf die Bühnen zurück, um den 20. Geburtstag ihres Album-Meisterwerks "L'Etat Et Moi" zu feiern. Köln machte den Anfang, und man konnte durchaus Angst haben vor diesem Termin, denn es gab viel zu verlieren.

Blumfeld erneuerte die deutschsprachige Popmusik. Ihre Platten kommentierten die Welt so maßgeblich, wie das nur Harald Schmidt in seinen besten Tagen gelang. Sie waren dafür verantwortlich, dass Popkultur ernst genommen wurde, man ließ Germanistik-Professoren Texte dieser Band in den Feuilletons deuten. Seit die Neue Deutsche Welle verebbt war, war kein Musiker mehr derart wirkungsvoll und pointiert mit der deutschen Sprache umgegangen wie Distelmeyer. Er zitierte Rainald Goetz und Matthias Reim, Rolf Dieter Brinkmann und die Smiths, Dylan und Adorno, Werbeslogans und Poststrukturalismus: "Ich hab keine Knochen mehr, dafür Tinte für 20 Bücher im Bauch."

Die Rückkehr begann rumpelig. In "Draußen auf Kaution" klappte es mit der Abstimmung nicht, das um einen Gast-Gitarristen verstärkte Trio spielte tastend, zögerlich. Erst allmählich fanden sie hinein in das Comeback. Sie brachten fast das komplette "L'Etat Et Moi"-Album, einiges von "Ich-Maschine" und dies und das von "Old Nobody". Distelmeyer, der mit 47 immer noch wirkt wie eine Mischung aus kleiner Prinz und deutscher Dichter, spielte mit seinen Liedern.

"Zeittotschläger" nahm er die Schärfe, verwandelte es mit Schmeichelstimme in reine Wehmut. "Von der Unmöglichkeit Nein zu sagen" ließ er swingen. Und "Ghettowelt" war geradezu böse, eine wütende Hymne: "Ein Lied mehr ist eine Tür / Ich frag' mich bloß wofür / Denn das, was dahinter liegt, / Scheint keinen Deut besser als das hier." Distelmeyer wirkte aufgekratzt, er spürte die Zuneigung des Publikums. Einmal ließ er das Licht einschalten, sah ins Volk und sagte: "Danke."

In den Jubel schickte er den Song "Verstärker". Tatsächlich merkte man nun, dass Bands wie Trümmer, Kreisky oder Ja, Panik, die man zuletzt ganz gut fand, nichts sind gegen diese hier. Es kann nicht sein, dass "L'Etat Et Moi" schon so alt sein soll. Es ist doch nix passiert seither. Es ist für immer 1994. Bevor jemand merkte, dass das bloß die Gedanken von Museumsbesuchern sind, beendete Blumfeld den auf charmante Weise unspektakulären Abend. Nach 95 Minuten sang Distelmeyer: "Everytime we say Goodbye, I die a little". Es ist vorbei. Und es tut nicht mehr weh.

(hols)
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