Kolumne Kraftwerk vs. Moses Pelham

Mich fasziniert der seit 9 Jahren laufende Prozess Kraftwerk vs. Moses Pelham.

Ich frage mich: Warum verklagte die Band ausgerechnet den Produzenten von Sabrina Setlur? Hunderte Produzenten verwendeten Soundschnipsel von Kraftwerk. Geht es ihnen ums Prinzip? Sehen sie in Pelham den einfachsten Weg zum Grundsatzurteil in eigener Sache? Schließlich soll Pelham auf seiner Homepage zugegeben haben, das Sample geklaut zu haben, und er werden mitnichten in Düsseldorf um Erlaubnis fragen, wie er geschrieben haben soll.

Ärgert die Band, dass sie unter Kollegen auf der ganzen Welt verehrt wird wie wohl kein anderer Künstler, die Musiker selber davon aber nichts haben?

Und wie ist das mit Coldplay? Deren Hit "Talk" als Kraftwerk-Sample zu bezeichnen wäre untertrieben. Der Song ist beinahe eine Coverversion von "Computerliebe". Da Coldplay und Kraftwerk mit EMI kooperieren, kann man davon ausgehen, dass alle Rechte geklärt sind. Aber was kostet wohl so eine Freigabe?

Ich könnte verstehen, wenn Kraftwerk nicht wünschen, von einem Moses Pelham gesampelt zu werden. Ich könnte verstehen, wenn sie sich sagten, jetzt müssen wir mal was abbekommen von all der Verehrung. Aber bei meinem jetzigen Wissensstand finde ich es enttäuschend, dass ausgerechnet die Vorreiter der elektronischen Musik, die Innovatoren schlechthin, gegen Sampling vorgehen. Das Verfahren gehört zur Musik der Zeit, es ist ihr gewichtiger Bestandteil, eine eigene Kunstform. Das müssen auch die in die Jahre gekommenen Kraftwerk-Verantwortlichen erkennen.

Alle Kraftwerk-Samples, die ich kenne — und dazu gehört trotz allem, was man über diesen Mann denken mag, das von Moses Pelham — sind Gunsterweisungen, Verbeugungen, Ehrerbietungen. Kraftwerk sollte sich darüber freuen. Ihre Platten werden auch deshalb heute noch verkauft und hoch geschätzt, weil ihre Musik durch Sampling ins Jetzt tradiert wurde.

Man sollte also Sampling freigeben, unter der Bedingung, die Originale auf der Plattenhülle nachzuweisen.

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