Interview mit Beth Ditto "Melania Trump tut mir so leid"

Düsseldorf · Die Sängerin und Designerin erklärt unserer Redaktion, warum sie bei Heidi Klum auftrat, und gibt Ratschläge, wie man sich gegen Mobbing wehrt. Michelle Obama hält sie für die nächste US-Präsidentin.

 Sängerin Beth Ditto bei ihrem Auftritt bei der Echo-Preisverleihung.

Sängerin Beth Ditto bei ihrem Auftritt bei der Echo-Preisverleihung.

Foto: dpa, soe kde

Das Hotel Hyatt Regency im Düsseldorfer Medienhafen. Beth Ditto betritt ziemlich aufgekratzt den Interview-Raum. Sie ist barfuß, die Füße mit den rot lackierten Nägeln versinken im tiefen Teppich. Sie ist 15 Minuten zu spät, "so sorry!", aber man kann ihr nicht böse sein. Die 36-Jährige hält rote Sandalen in den Händen und spricht diesen großen Satz: "Die Schuhe sind zu schön, als dass ich sie an den Füßen tragen möchte." Dann bestellt sie Kaffee und sagt, dass es eigentlich noch ein bisschen früh sei. Uhrzeit: kurz nach zwölf.

Ich bin enttäuscht von Ihnen.

Beth Ditto: Warum?

Weil Sie beim Finale von "Germany's Next Top Model" aufgetreten sind. Beim größten Demütigungs-Festival des deutschen Fernsehens.

Ditto: Ich hätte nein sagen können. Ich wollte aber ja sagen und dort präsent sein. Ich wollte zeigen: Seht her, ich sehe so aus, wie ich aussehe, und ich habe eine Karriere.

Sind Sie Feministin?

Ditto: Was ist das für eine Frage?

Bloß eine Rampe für die nächste Frage: Wie definieren Sie Feminismus?

Ditto: Feminismus ist eine Herausforderung. Ein Kampf für die Gleichheit aller Geschlechter. Feminismus ist eigentlich ganz leicht. Wie definieren Sie Feminismus?

Als Konkretisierung von Menschlichkeit.

Ditto: Feminismus ist so wichtig. Zwischen den Geschlechtern existiert ein Ungleichgewicht, das kann man nicht ignorieren. Manche sagen trotzdem, dass es die Ungleichheit etwa in der Bezahlung von Frauen und Männern nicht gebe. Das ist irre. Es gibt sie! Man könnte auch sagen, die Welt ist eine Scheibe.

Feminismus ist in Mode.

Ditto: Zum Glück.

Wirklich? Verkommt Feminismus gerade im Showgeschäft nicht allzu oft zum Accessoire?

Ditto: Wenn Du dafür kämpfst, Feminismus populär zu machen, denkst Du so nicht. Feminismus ist jetzt Teil der Popkultur. Das heißt, er ist im Mainstream angekommen. Genau das wollten wir. Großartig!

Aber meinen es diejenigen wirklich ernst, die nun mit T-Shirts herumlaufen, auf denen in Glitzerschrift "Feminist" steht?

Ditto: Wir wissen nicht, ob sie es ernst meinen. Vielleicht meinen sie es ja ernst. Und vielleicht bringen sie andere zum Nachdenken.

Popstars wie Rihanna tragen aufreizende Bühnenklamotten und begründen das mit weiblicher Selbstermächtigung. Glauben Sie ihnen?

Ditto: Ja. Sie können tun, was sie wollen. Es ist nicht unsere Entscheidung, was sie selbstbewusst macht. Und es wäre nicht fair, es ihnen nicht zu glauben. Wenn die Klamotten bewirken, dass sie sich gut fühlen, sollen sie sie doch tragen.

Ein Akt der Freiheit, meinen Sie?

Ditto: Genau.

Aber es ist auch Marketing: knappe Klamotten, hohe Erträge.

Ditto: Das ist das Genie des Feminismus: Frauen benutzen ihre Körper und überlisten damit das System. Es ist wie mit den Topmodels: Jeder betrachtet sie als Objekte. Aber vielleicht ist es ja umgekehrt, vielleicht tricksen die Models das System einfach aus und lachen sich ins Fäustchen. Was soll Rihanna denn tragen? Sweatshirt? Wenn Sie je auf einer Bühne gestanden hätten oder auf einem Roten Teppich, dann wüssten sie: Es ist verdammt hart dort!

Wie wird man selbstbewusst?

Ditto: Der Schlüssel ist, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Man sollte sich fragen, warum man negative Gefühle gegenüber einer Sache hat. Machen sie einen wirklich unglücklich? Oder fühlt man sich unglücklich, weil man Angst davor hat, wie die Menschen über einen denken? Und man sollte sich fragen, ob die Dinge wirklich so sind, wie man sie vermittelt bekommen hat. Vielleicht hat man jahrelang etwas vorgemacht bekommen. Und vielleicht ist die eigene Meinung viel näher an der Wahrheit.

Finden Sie, Teenager müssen rebellisch sein?

Ditto: Nein. Viele der coolsten Leute, die ich kenne, waren langweilig, überhaupt nicht hip und total angepasst. Die coolsten Kinder sind die schweigsamen.

Stellen Sie sich eine 13-Jährige vor, die traurig ist, weil sie in der Schule als mollig angefeindet wird.

Ditto: Das ist traurig, das kenne ich.

Was raten Sie dem Mädchen?

Ditto: Wenn man über Mobbing spricht, redet man meist über diejenigen, die mobben: Warum tun die das? Wir sollten uns aber lieber mit den Gemobbten beschäftigen und sie unterstützen. Und wir müssen ihnen klarmachen, dass sie denen, die mobben, keine Aufmerksamkeit schenken dürfen. Sie sollten einfach nicht reagieren und nicht antworten. Wer mobbt, will Aufmerksamkeit. Schenkt sie ihnen nicht! Das Beste, was man tun kann, ist Freunde oder Vertraute zu finden und mit ihnen darüber zu reden. Bildet eine Gemeinschaft! Es gibt mehr von uns als von denen. Und denkt daran: Wer mobbt, fühlt sich selbst nicht wohl.

Stellen sie sich einen 13-Jährigen vor, der sich in einen Jungen verliebt und nun Angst hat. Was raten Sie ihm?

Ditto: Nicht du bist verkehrt, die Welt ist verkehrt.

Warum haben die Amerikaner Donald Trump gewählt?

Ditto: Nein, bitte nicht diese Frage. Ich wache jeden Tag auf und denke: Was passiert hier? Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich kann meine Gefühle eigentlich sehr gut ausdrücken, aber bei diesem Thema bin ich sprachlos.

Wird er nach der nächsten Wahl auch noch Präsident sein?

Ditto: Nicht fragen, einfach nicht fragen. Pssst! Gar nicht dran denken. Schscht!

Ich sage jetzt Namen von prominenten Frauen, und Sie sagen mir, was Sie von ihnen halten. Okay?

Ditto: Gerne. Oh, ich mag Spiele!

Michelle Obama.

Ditto: Die nächste Präsidentin.

Melania Trump.

Ditto: Es gibt niemanden, der mir mehr leid tut.

Stella McCartney.

Ditto: Brillant. Charmant. Lustig.

Angela Merkel.

Ditto: Sie ist toll.

Hillary Clinton.

Ditto: Ich mag sie, weil sie es versucht hat.

Ivanka Trump.

Ditto: Geldgeil.

Rihanna.

Ditto: Ich liebe sie.

Patti Smith.

Ditto: Wenn ich groß bin, will ich sein wie sie.

(RP)
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