Interview mit "Wir sind Helden"-Frontfrau "Mein Mann bleibt bei der Tour zu Hause"

Mit der Band "Wir sind Helden" feierte Judith Holofernes große Erfolge. Als zweifache Mutter beginnt sie jetzt eine Solokarriere.

Judith Holofernes von "Wir sind Helden": "Mein Mann bleibt bei der Tour zu Hause"
Foto: KEYSTONE, AP

Berlin Sie mischten die Musikszene auf und waren eine der erfolgreichsten deutschen Bands der 2000er-Jahre. Doch 2012 machten "Wir sind Helden" vorerst Schluss. Jetzt meldet sich Frontfrau Judith Holofernes mit einem eigenen Album zurück.

Sie haben gerade Ihre kleine Tochter in die Kita gebracht. Haben es Musikerinnen schwerer oder leichter als andere Mütter, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Holofernes Einfach ist das für niemanden. Als Musikerin kommt das Reisen dazu, was es noch schwerer macht. Mein Mann wird bei der nächsten Tournee zu Hause bleiben. Mit ,Wir sind Helden' standen wir ja immer beide auf der Bühne. Ich am Mikro, er am Schlagzeug. Das macht es besonders sportlich mit Kindern.

Und was sagt Ihr Mann dazu, dass er jetzt nicht mehr mitspielen darf?

Holofernes Er hat zum Glück gar nicht mehr den Drang, die ganze Zeit auf der Bühne zu stehen. Er arbeitet als Produzent und Mischer und ist eigentlich ganz froh, wenn er zu Hause bleiben darf.

Sie dagegen konnten sich nicht sehr lange zurückhalten. 2012 haben Sie mit ,Wir sind Helden' aufgehört ...

Holofernes Ich habe bewusst versucht, es ein paar Monate auszuhalten, gar nicht zu wissen, was ich machen werde. Diese Band nach zwölf Jahren loszulassen, war anfangs sehr beunruhigend. Im Hinterkopf hatte ich mir überlegt, dass ich jetzt mal was ganz Introvertiertes mache. Fünf Jahre in meinem Arbeitszimmer sitzen und einen Roman schreiben oder so. Und dann habe ich aus Versehen doch wieder angefangen, Songs zu schreiben.

War es irgendwann Routine, vor Tausenden Fans zu spielen?

holofernes Es ist nie Routine. Ich kann mich noch an dieses überwältigende Gefühl erinnern. Ich habe das genossen. Diese großen Konzerte haben so einen großen Ausschlag. Sie sind ganz toll, wenn alles gut läuft. Sie sind ganz furchtbar, wenn etwas schiefgeht. Das war es auch, was mir am Schluss zu viel wurde. Ich fühlte mich wie ein Rennfahrer, der das Steuer verreißen und an die Wand klatschen kann.

Ihr neues Album heißt ,Ein leichtes Schwert'. Ist der Titel jetzt Programm?

Holofernes Vor allem heißt es so, weil ich irgendwann zu meinem Mann sagte: Ich muss wieder ein leichteres Schwert führen. Das war so eine Initialzündung. Es war alles zu schwer, zu schwerfällig, zu groß. Die ganze Aufnahmezeit jetzt war natürlich anstrengend, aber sie war mühelos. Ich hatte eine der Top-Fünf-Zeiten meines Lebens. So möchte ich es gern machen bis ans Ende meines Lebens.

Was machen Sie, wenn bei der Tour die Fans ,Bitte gib mir doch ein O' skandieren und nicht mehr aufhören?

Holofernes Das weiß ich noch nicht. Ich kann auf jeden Fall keine Helden-Songs spielen. Ich bin mit dieser Band total verbunden, und es würde sich ganz falsch anfühlen.

Aber Fans können hartnäckig sein ...

Holofernes Das stimmt, aber ich erwarte natürlich, dass jemand, der zu meinem Konzert kommt, sich da auch hineinversetzen kann.

Wie gelingt es Bands wie Depeche Mode oder den Rolling Stones, über Jahrzehnte zusammen Musik zu machen?

Holofernes Also ich bin sehr treu und anschlussmotiviert. Aber eine Band, die für immer zusammenbleibt so wie die Rolling Stones, hat für mich keinen Wert an sich. Dieses Rockurgestein-Ding ist für mich nicht erstrebenswert. Künstler, die ich richtig schätze, sind die, die richtig Haken schlagen.

Waren Sie manchmal auch überfordert in der Zeit, als Sie mit Ihrer Band unterwegs und so erfolgreich waren?

Holofernes Ich war oft überfordert, aber ich war auch oft selig und quietschvergnügt. Unser Leben bewegte sich zwischen Autobahnraststätte und Fünf-Sterne-Hotel.

Bietet Berlin Ihnen Freiräume?

Holofernes Berlin ist noch immer ein fantastischer Ort für Künstler, wo man sehr lange an etwas völlig Abseitigem vor sich hin wurschteln kann.

Inspiriert Berlin Sie?

Holofernes Wenn ich auf ein schönes Konzert gehe, führt das danach immer zu einem Song. Das kann eine Sahara-Blues-Band oder etwas völlig anderes sein. Ich spiele das dann nicht nach, aber ich denke: Man muss einfach Musik machen.

Was machen Sie, um sich vor dem Winter-Blues in Berlin zu schützen?

Holofernes Ich habe mir eine Tageslichtlampe gekauft. Der letzte Winter war ja so dunkel hier, dass ich einen drastischen Vitamin-D-Mangel bekam. Diesmal bin ich gerüstet.

(RP)
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