Erstes Tour-Konzert in Deutschland Trommel-Therapie mit Metallica

Die amerikanischen Rock-Superstars traten vor 18.500 Fans in Köln auf. Es wurde ein guter, aber kein großer Abend. Am Samstag gibt Metallica ein weiteres Konzert – das ist bereits ausverkauft.

Metallica-Konzert in der Lanxess-Arena 2017 in Köln
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Metallica-Konzert in der Lanxess-Arena

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Foto: dpa, obe hak

Die amerikanischen Rock-Superstars traten vor 18.500 Fans in Köln auf. Es wurde ein guter, aber kein großer Abend. Am Samstag gibt Metallica ein weiteres Konzert — das ist bereits ausverkauft.

Total rührende Szene am Rande: Ein Mann hält mit beiden Händen sein Smartphone Richtung Bühne, weil er filmen will, wie die Band den Song "One" spielt. Das Problem daran ist aber, dass er während des Filmens kein Bier trinken kann, was in einem Metallica-Konzert natürlich doof ist. Also kümmert sich ein Freund um ihn, er füttert den Hobby-Filmer mit Bier aus dem Plastikbecher. Die Choreographie wirkt gut eingespielt, jedenfalls geht kein Tropfen verloren. Als das Lied zu Ende ist, boxt der Versorgte dem Besorgten aus Dankbarkeit gegen den Oberarm. Kumpelromantik.

Die kalifornische Superstar-Band Metallica spielt ihr erstes von zwei ausverkauften Konzerten vor jeweils 18.500 Fans in der Kölner Lanxess-Arena. Kurz bevor es losgeht, senken sich drei Dutzend Videowürfel von der Decke, darauf sieht man Szenen aus dem Italo-Western "Zwei glorreiche Halunken", dazu ertönt die herrliche Film-Musik von Ennio Morricone.

Die Band kommt auf die Bühne, sie drückt zwei Stücke vom neuen Album in die Halle, tiefergelegte Wucht-Ungetüme. Rhythmusgitarrist und Sänger James Hetfield bellt sich schon mal sehr achtbar ein. Lied drei ist dann der erste Kracher: "Seek & Destroy" vom Debütalbum "Kill 'Em All" aus dem Jahr 1983. Dazu werden Eintrittskarten aus jener Zeit eingeblendet: "Köln Stadthalle, 21 D-Mark". Hetfield zischt den Text durch die geschlossenen Zähne, giftig und sehr gut. Und weil er nicht weiß, wohin mit der Kraft, schlägt er sich mit der Faust gegen die Brust. Seine Halschlagader tritt gut sichtbar hervor.

Rund zweieinhalb Stunden stehen Metallica auf der Bühne, und nach solchen Höhepunkten nehmen sie immer wieder das Tempo aus dem Konzert. Man hat den Eindruck, dass sie an diesem Abend nicht richtig in Fahrt kommen, dass sie hochtourig auf der Stelle treten. Sie bauen zwar enormen Druck auf, lassen ihn aber nicht ab. Es gibt kein Ventil, keine Triebabfuhr. Sie sensen viel Unterholz weg, dringen aber kaum je in die Baumkronen vor. Sozusagen.

Kirk Hammett, dessen Leadgitarre sonst in den besten Stücken dafür sorgt, dass die Kollegen wie auf einem fliegenden Teppich spielen, kommt nicht recht zum Zuge. Besonders schmerzlich merkt man das bei "One", dem großartigsten Stück von Metallica. Es bricht ja nach vier eher elegischen Minuten ab, es rastet aus wie Zahnräder, die nicht mehr ineinandergreifen wollen, und normalerweise schnitzt Hammett dann mit Blut verschmiertem Messer seine Intarsien in die Komposition.

James Hetfield steht an der entscheidenden Stelle denn auch breitbeinig und erwartungsfroh auf der Bühne, seinen Po wiegt er auf Höhe der Kniekehlen. Er guckt zum Himmel, wendet dem Mikrofon den Rücken zu. Dann dreht er sich um und schreit ins blutrot eingefärbte Stroboskop-Licht die markanten Zeilen: "Darkness imprisoning me / All that I see / Absolute horror." Man muss das unheimlich präzise spielen, aber sie tun das nicht an diesem Tag. Hetfield wartet auf den Einsatz des Kollegen, aber Hammett hält sein puddingweiches Gedudel zurück, das sonst wie Johann Sebastian Bach klingt (nur in heidnisch), und so verpufft all die schöne Energie ohne großen Effekt.

Die Bühne liegt mitten in der Halle, sie sieht wie eine Kickbox-Arena aus. Lars Ulrich sitzt an seinem Schlagzeug auf einem kleinen Rondell in der Mitte, man kann es drehen, damit jeder Fan mal die Ansicht von vorne hat, und für Hetfield stehen acht Mikroständer bereit. Allerdings kann die Band zunächst kaum etwas mit dem vielen Platz anfangen. Man muss bei solch einem 360-Grad-Arrangement ständig in Bewegung sein, um Energie zu entfesseln. Dafür verhalten sich die Musiker aber zu statisch. Das Konzept geht lediglich bei Klassikern wie "Master Of Puppets", und "For Whom The Bell Tolls" auf.

In diesen Momenten wirkt die Bühne tatsächlich wie das Floß der Verdammten, das von einem aufgewühlten Menschenmeer getragen wird. Hetfield spuckt dann zufrieden aus: "Your life burns faster / Obey your master." Bassist Robert Trujillo dreht sich dazu im Kreis, seine zu Indianerzöpfen geflochtenen Haare schlagen keck gegen die prächtigen Oberarme. Und irgendwann schießen sogar noch Flammen aus dem Bühnenboden.

Sehr schön sind auch die Ansagen Hetfields. Einen Song beginnt er mit den weisen Worten: "Wer ewig leben will, muss zuerst sterben." Zwischendurch beschwört er immer wieder die Kraft der "Metallica-Family". Und als er einen Jungen in der ersten Reihe entdeckt, fragt er, wie alt der sei. Zwölf, antwortet der Junge. Darauf Hetfield: "Ich wünschte, ich hätte mit zwölf auch schon zu Metallica gehen können."

Unter "übles Kunstgewerbe" muss man zwei Ideen der Show verbuchen, die unfreiwillig komisch wirken. Bei dem ohnehin nicht gerade genialen Song "Now That We Are Dead" stoßen Quader aus dem Bühnenboden, darauf sind Trommeln angebracht. Die Bandmitglieder stellen sich davor und schlagen zu; die derart geschundenen Quader verfärben sich daraufhin. Die Musiker wirken nun wie diese japanischen Trommler, die so gerne für innerstädtische Kulturfestivals gebucht werden. Vielleicht eine Therapiemaßnahme zur Stärkung der Gruppendynamik. Das andere sind die elektronischen Glühwürmchen, die zu "Moth Into Flame" aus dem Boden steigen und ihre Kreise drehen. Niedlich geradezu.

Sie spielen "Stone Cold Crazy" von Queen, und Kenner freuen sich sehr über das grandiose "Blackened" als erste Zugabe. Zuletzt bringen sie "Nothing Else Matters" und "Enter Sandman". Da holen viele Fans die Feuerzeuge heraus.

Exit Light. Enter Night.

(hols)
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