Madonna in Köln Mrs. Robinson verhaut die Männer

Köln · Der US-Superstar Madonna gastierte in der Kölner Arena. Die 57-Jährige polarisiert noch immer – trotz Nettigkeitsoffensive. Einige Fans waren verärgert.

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So war das Madonna-Konzert in Köln

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Der US-Superstar Madonna gastierte in der Kölner Arena. Die 57-Jährige polarisiert noch immer — trotz Nettigkeitsoffensive. Einige Fans waren verärgert.

Bester Moment: die Nummer mit den Stufen. Madonna turtelte mit einem ziemlich gut gebauten und glänzend geölten Latino-Lover auf einer Wendeltreppe. Sie sang "HeartBreakCity", so ein Dimmerlicht-Stück, und als die beiden oben angekommen waren, stimmte sie "Love Don't Live Here Anymore" an. Bis zum ersten Refrain durfte der arme Kerl hoffen, dann stieß sie ihn über die Kante, einfach so. Die Musik stoppte, und Madonna rief "Nobody fucks with the queen", worüber sehr viele im Publikum lachten. Sie riss ihre Jacke auf, sang "Like A Virgin" und tanzte so jungmädchenhaft selbstbewusst über den Bühnensteg wie 1984.

Madonna trat an zwei Tagen in der Kölner Arena auf, 29.000 verkaufte Karten meldet der Veranstalter, und zumindest am ersten Abend waren einige der Versammelten arg sauer. Die Königin des Pop begann ihre Show nämlich erst um 22.15 Uhr, was selbst für die abgehobenen Verhältnisse einer Audienz auf dem Pop-Olymp eine Frechheit ist.

Der Beginn beschwichtigte dann auch nur wenige Fans, denn Madonna machte da weiter, wo sie auf ihrer letzten Tour aufgehört hatte: auf dem Schlachtfeld. Damals schoss sie mit Spielzeug-Waffen ins Publikum, und das Konzert wirkte wie ein Ausflug ins nordkoreanische Bootcamp. Man fühlte sich danach wie Mickey Rourke, als der sich im Film "The Wrestler" die Tackerklammern aus dem Oberkörper pulen musste, die ihm ein Gegner in die Haut geschossen hatte. Hier sah man nun als erstes den früheren Boxer Mike Tyson auf der Videowand: giftiger Blick, fiese Beats, es floss Blut, und Madonna schwebte in einem schmiedeeisernen Käfig ein. 14 Samurai-Kämpfer mit Speeren warteten schon auf sie. Der Bass schlug kräftig in die Magengrube, uff.

Aber, und das war das Verblüffende an diesem knapp zweieinhalbstündigen Abend: Als sie sich abreagiert hatte, erstand eine Madonna auf, die man seit Jahren nicht erlebt hat. Sie tarierte die Feldherrengeste ja immer schon gegen ihren Mutterwitz aus, aber neuerdings gibt sie die warmherzige Matrone. Es war fast rührend zu sehen, wie sie das Nettsein ausprobierte. Sie spielte "True Blue" auf der Ukulele, führte unbeholfene Gespräche mit dem Publikum ("Do you want to marry me?") und dankte für das Vertrauen. In der Halle machte sich eine Stimmung breit wie in bestimmten Familien an jenen Tagen, an denen der despotische Vater gute Laune hat.

Vielleicht ist sie ja wirklich verliebt, es wird viel gemunkelt über das erneute Aufflammen der Amore zu Ex-Gatte Sean Penn. Der hat zwei Konzerte ihrer Tour besucht, jedes Mal süß gelächelt, und passend dazu postete Madonna fleißig Bilder der beiden aus den 80ern: Those were the days. Vielleicht war sie aber auch einfach nur froh darüber, dass sie diese Halle zwei Mal weitgehend füllte, auch wenn nicht alle Plätze besetzt waren. Die Lanxess-Arena ist ein Indikator für den Rang einer Künstlerin, und zwei Tage hintereinander treten dort nur Taylor Swift, Beyoncé, Katy Perry und Rihanna auf. Das vor Verkaufsstart ins Netz gelangte Album, der Sturz bei den Brit Awards sind also vergessen: Madonna ist zurück in den Top 5.

Auf ihrer "Blonde Ambition"-Tournee 1990 (das war die Tour mit dem Gaultier-BH) hatte Madonna den Konzert-Irrsinn mit Umziehen, Umbauen, fortwährender Neubereifung der Singstimme und überwältigendem sinnlichen Dauer-Bombardement überhaupt erst erfunden. Alle machen das längst nach, manche macht es sogar besser, und das Konzert wirkte dementsprechend wie ein Musical, das von der Auferstehung eines totgesagten Superstars handelt.

Der Abend hatte vier Teile, der erste entsprach der Optik der "Game Of Thrones"-Serie. "Lasst uns eine Revolution starten", rief Madonna und fragte: "Seid ihr dabei?" Die meisten antworteten mit ja. Danach folgten ein Gastspiel in einer Autowerkstatt der 50er Jahre, ein bisschen Stierkampf-Anmutung, wobei die Stiere natürlich Männer waren, und schließlich die Roaring Twenties mit viel Glamour und einer strassglitzernden Version von "Material Girl". Mitunter ging Madonna auf Konfrontation, etwa wenn sie an einem Kreuz Poledance machte oder leicht bekleidete Nonnen zum letzten Abendmahl bat. Aber es endete stets versöhnlich, da tanzten dann Vertreter aller Religionen miteinander Ringelpiez. Geradezu trashig war die Sache mit Alexander. Der ist Fan und wurde auf die Bühne gebeten, und weil sich unter seinem T-Shirt teure Muskeln abzeichneten, bat Madonna, er möge sie mal vorzeigen. Brav zog er blank, und während er das Shirt über dem Gesicht hatte, riss Madonna den Gürtel aus seiner Hose und versohlte ihm den Hintern. Alexander schien sich über die Popohaue zu freuen, und Madonna nannte ihn "Alexander The Great".

Bemerkenswert: Die 57-Jährige brachte viele Stücke des aktuellen Albums "Rebel Heart". Stars in dieser Liga benutzen neue Alben zumeist nur als Vorwand für Konzerte und veranstalten dort dann einen Oldie-Abend. Madonna hingegen drückte sogar die alten Hits in modernisierten Versionen in die Halle — mittelbare Nostalgie. Das überzeugte nicht immer, weil die Stücke heillos überfrachtet wurden, aber "La Isla Bonita" als ultrabeschleunigter Flamenco und "Burning Up" als Rocknummer gelangen.

Als kurz vor Schluss über die Videowand ikonische Bilder Dutzender Inkarnationen aus 35 Jahren Madonna flackerten, ging einem noch einmal auf, wie viel diese Frau über unsere Gegenwart weiß. Sie mag nicht mehr so nah am Puls der Zeit sein wie einst und sich schwerer tun, das Neue aufzuspüren. Aber sie polarisiert und irritiert noch immer, und anscheinend hat sie ihren Frieden mit ihrer Rolle als Mutter der Kompanie gemacht, als Mrs. Robinson des Jugendkults. Manchmal schwankt sie, manchmal wankt sie, schrieb Dietmar Dath. Und wenn man denkt, jetzt fällt sie, merkt man, dass sie das Hochseil, auf dem sie tanzt, nur als Saite benutzt, die sie zum Schwingen bringt.

Das letzte Stück war "Holiday" aus dem Jahr 1983. Der neue Tag hatte längst begonnen.

(hol)
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