Debütalbum “Raised in Rain” Miriam Bryant ist mehr als eine zweite Adele

Miriam Bryant wurde aufgrund ihrer Stimme und der ersten Single "Finders Keepers" als "neue Adele" gefeiert. Auf dem Album kann sie diese hohen Erwartungen jedoch nicht erfüllen - und das ist auch gut so, denn sie schafft einen eigenen Stil, der nur punktuell an die erfolgreiche Britin erinnert.

Debütalbum “Raised in Rain”: Miriam Bryant ist mehr als eine zweite Adele
Foto: Universal

Mit der Single "Finders Keepers" war Miriam Bryant im letzten Jahr fast täglich auf diversen Popwellen des deutschen Radios zu hören. Als Hörer dachte man oft: "Sieh an, ein neues Stück von Adele", doch die facettenreiche Stimme, die aus den Boxen kam, gehört der jungen Schwedin aus Göteborg.

Der Vergleich mit Adele hat die Künstlerin von Anfang an geehrt, aber im Interview mit unserer Redaktion hat sie erklärt, wer ihre musikalischen Vorbilder sind - Adele selbst war nicht unter den genannten Künstlern. Die Liste bestand unter anderem aus Florence and the Machine, James Blake und Little Dragon und ließ erahnen, dass das Debütalbum nicht nur auf Bryants Stimme reduziert sein würde, sondern auch abwechslungsreiche Produktionen bieten dürfte.

Klassischer Pop mit atemberaubender Stimme

So ist das erste Lied mit dem Titel "Last Soul on Earth" ein klassischer Popsong, der mit viel Melancholie aufwartet. Hier gibt es einen simplen Rhythmus, der im Refrain durch Orchesterklänge ergänzt wird. Alles das sind Zutaten, die man bei skandinavischem Pop erwartet. Die Untermalung hat man so vielleicht schon gehört, doch wie Miriam Bryant Lautstärke, Stimmlage und Tempo beherrscht, ist etwas Besonderes.

Die Single "Push Play" hat mit dem Anfangstitel ein interessantes Musikinstrument gemeinsam: eine leichte Glocke. Sie bricht die leicht melancholische Grundstimmung und die formelle Instrumentierung mit Klavier und Streichern. Die sogenannte "Bass-Drum", die Trommel, die meist den Takt vorgibt, ist bei "Push Play" verzerrt und erinnert eher an Produktionen aus der Rap-Welt.

Einzelne Zitate ergeben noch keine Kopie

Die schon im letzten Jahr erschienene Single "Finders Keepers" erinnert zwangsweise an Adeles Songs auf ihrem Debütalbum "19”. Und auch "Easy Street" beginnt zunächst wie eine typische Adele-Ballade. Man fragt sich an dieser Stelle des Albums, warum man zwei musikalische Zitate direkt hintereinander stellt, wenn doch eigentlich nicht der Eindruck einer Kopie entstehen soll.

Doch etwa zur Mitte von "Easy Street" wandelt sich der Stil des Songs, der zwar ein wenig an Britney Spears erinnert, aber dennoch ein sehr angenehmer Pop-Sound ist. Im zweiten Teil bewegt sich das Lied von einem Swing-Umfeld der 1950er Jahre in eine Pop-Umgebung des neuen Jahrtausends.

Stilistisch gibt die zweite Hälfte des Albums wesentlich mehr her, als zu Beginn. Es gibt mit "Etched in Stone" eine Drum&Bass-Nummer. Das heißt: "Untergrund-Club statt Royal Albert Hall". Auch inhaltlich geht es in "Etched in Stone” um den Fortschritt und das Ausbrechen aus bereits beendeten Beziehungen und Zwängen. Damit trifft das Lied das Hauptthema des Albums, das im Wesentlichen von Liebe, Freundschaften und (gescheiterten) Beziehungen handelt.

An manchen Stellen wünscht man sich sowohl inhaltlich wie auch musikalisch ein bisschen mehr Reichweite. Der Titel und die Botschaft von "Alone isn't lonely" schaffen es leider nicht, eine interessante Geschichte zu erzählen.

Zwar singt Bryant von Menschen, die zusammen laufen, aber alleine gehen oder leeren Koffern, die bereit stehen, doch wird der Hörer nicht so sehr in eine Geschichte verwickelt, sondern hört fragend der Musik zu. Auch die Bässe und das Schlagzeug, dürften - wie der Text - gerne etwas tiefer gehen.

Ein Album voller Singles

Auf dem Album gibt es zwar durchaus musikalische Abwechslung, aber es wäre sicher reizvoll die gesanglich so talentierte Künstlerin auch einmal bei musikalischen Experimenten zu erleben. Da Miriam Bryant in einem Interview schon James Blake und Florence and the Machine als Inspirationen genannt hat, würde man sich ein wenig mehr Attitüde von Blake und ein wenig Pomp von Florence and the Machine wünschen.

Die Abewesenheit von musikalischen Ausbrüchen lässt das Album aber kompakt und in sich stimmig wirken, wobei jedes Lied für sich so interessant ist, dass es als Single-Auskopplung denkbar wäre. Und als kleine Randnotiz macht "Raised in Rain" das Glockenspiel wieder salonfähig.

(ac)
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