"Pink Floyd"-Gründer Roger Waters kämpft gegen Donald Trump

Vor 50 Jahren gründete Roger Waters Pink Floyd. Inzwischen ist der 74-Jährige einer der größten Stars der Welt. Seine Mission: der Kampf gegen Donald Trump.

 Roger Waters bei einem seiner legendären Auftritte (New York, 11. Sepemter 2017).

Roger Waters bei einem seiner legendären Auftritte (New York, 11. Sepemter 2017).

Foto: dpa

New York Manhattan East Side, 26. Straße, 19. Stock, Headroom-Tonstudios: Jetzt kommt der Mann, der in den USA derzeit für Schlagzeilen sorgt. Flankiert von einer rotblonden, resolut wirkenden Managerin betritt ein grauhaariger Schlacks den Raum. Roger Waters, kreativer Kopf einer der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten, wird gleich Fragen von Journalisten beantworten. Es gibt einige, die von besonderem Interesse sind. Schließlich hat er gerade die ersten Auftritte für seine neue Tour "Us And Them" absolviert, die kontroverseste, die er jemals angetreten hat.

Am Abend zuvor hat er im Barclays-Center in Brooklyn ein fulminantes Konzert gegeben. Gut 18.000 Fans feiern ihn dabei so sehr, dass er am Ende des Auftritts zu Tränen gerührt scheint. Ungewöhnlich für einen Mann, dessen Verhältnis zu seinem Publikum eher als unterkühlt und distanziert gilt.

Jetzt wirkt Roger Waters wieder gefasst und locker. Lässig gekleidet, in Jeans und schwarzem T-Shirt, nimmt er auf einem Cocktail-Sessel Platz. Dass er vor wenigen Tagen 74 Jahre alt geworden ist, sieht man ihm nicht an. Er erscheint drahtig, wach und interessiert.

Roger Waters, Gründungsmitglied von Pink Floyd, spielt in einer Liga mit den Rolling Stones oder Paul McCartney. 88 Millionen Dollar soll er alleine im letzten Jahr eingenommen haben. Große Hallen und Stadien kann er immer noch problemlos füllen. Anders als seine Kollegen bricht er aber mit einem ungeschriebenen Gesetz der Branche. Nämlich, sich aus der Politik besser herauszuhalten. Waters macht genau das Gegenteil. Seine aktuelle Tour ist ein politisches Statement. Eine Abrechnung. Eine Provokation.

Im liberalen Brooklyn wird Waters genau dafür gefeiert. Denn neben Rock-Musik in Perfektion und einer visuellen Show der Extra-Klasse gibt es auch noch eine brachiale Kampfansage obendrauf. Am 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten arbeitet sich der Rock-Star vor allem im zweiten Teil seines über zweistündigen Auftritts ab: Donald Trump als Hitler, mit Ku-Klux-Klan-Kapuze, als Baby in den Armen Putins oder mit einem auf das Notwendigste reduzierten Phallus - all diese Bilder flimmern minutenlang über die riesigen Bühnenleinwände.

Dass ihn das auch Sympathien kosten kann, ist Roger Waters egal. Einige Fans in Kansas sollen seine Show mit Buh-Rufen quittiert und das Konzert vorzeitig verlassen haben. Auch soll ein Sponsor der Tour abgesprungen sein. Doch Waters hält dagegen: "Die Trump-Anhänger werde ich sowieso nie erreichen können", sagt er. Und: "Wer jetzt gegen meine Songs protestiert, hat sie ohnehin nie verstanden."

Vielleicht muss man dafür die Zeit auch noch einmal ziemlich genau um 50 Jahre zurückspulen: Roger Waters ist ein Kind aus der Flower- Power-Ära. 1967, als von Kalifornien die Hippie-Welle nach Europa schwappt, steht er in kleinen Londoner Clubs mit einer seltsamen Band auf der Bühne. Sie hat gerade ihr erstes Album veröffentlicht, das, untermalt von sphärischer Musik, von Vogelscheuchen, Zwergen und dem Weltall erzählt. Bei ihren Auftritten setzt die Gruppe als eine der ersten überhaupt Lichteffekte als Stilmittel ein. Der psychodelische Rock ist geboren. Er passt gut in eine Zeit, in der Drogen Bestandteil der Jugendkultur sind.

Die Band gehört zum Untergrund, zur Avantgarde, aber mit "Piper At The Gates Of Dawn" landen Pink Floyd gleich auf Platz sechs der britischen Charts. Und schlagen dann einen Weg ein, den man wohl kaum vorhersehen konnte. Obwohl ihr ursprünglicher Kopf, Syd Barret, im Drogenrausch versinkt und die Band verlässt, wird sie in den 1970er Jahren zu einer der zugkräftigsten im gesamten Musikgeschäft. Da hat der Bassist Roger Waters bereits die Zügel in der Hand. Es entstehen Alben, die zu den meistverkauften der Pop-Geschichte gehören: Mit "The Dark Side Of The Moon" (1973) kann sich nur Michael Jacksons "Thriller" messen.

Auch hinter den weiteren Konzeptalben, die sich millionenfach verkaufen - "Whish You Were Here", "Animals" und "The Wall" -, steckt hauptsächlich Roger Waters, Moralist, Weltverbesserer. Er schreibt die Texte zu den meisten Songs, die von Schmerz und Verlust, Geld- und Machtgier, Wahnsinn, Isolation und Unterdrückung handeln. Es sind Lieder über eine Welt, wie sie nicht sein sollte. "Is This The Life We Really Want" heißt sein in diesem Sommer veröffentlichtes letztes Solo-Album, und die Antwort gibt der Titel ja schon selbst. 25 Jahre dauerte es, bis sich Roger Waters wieder mit neuen Songs zu Wort meldete. Und man könnte glauben, er habe nur auf einen Mann wie Donald Trump gewartet, um jetzt erneut zur Hochform auflaufen zu können.

Fünf der neuen Songs hat Roger Waters in seiner Tour untergebracht. Der Rest besteht aus Pink Floyd-Material aus den Jahren 1973 bis 1979. Nostalgie pur, sollte man also meinen. Doch der Eindruck täuscht. Denn Waters gelingt das Kunststück, den alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Er gibt seinen Songs eine neue Deutung. An wen anders als an Donald Trump könnte man denken, wenn man jetzt "Pigs" vom wunderschönen "Animals"-Album hört: "Großer Mann, Schweinehirt, Du reicher Pinkel, Du große Nummer, was bist Du für eine Farce." Der Text wurde vor über 40 Jahren geschrieben.

Beim Konzert in Brooklyn kommt das gut an. Brian etwa, ein gemütlich wirkender Mittfünfziger aus Queens, hält es nicht auf seinem Sitz. Als in riesigen Lettern "Trump Is A Pig" (Trump ist ein Schwein) auf den Leinwänden eingeblendet wird, springt er auf und ballt die Faust. Ebenso wie Waters, der auf der Bühne mehr wie ein Aktivist denn ein alternder Rockstar wirkt.

Selbst will Waters übrigens nicht in die Politik gehen. "Zu viele Meetings und zu viele Babys, die geküsst werden müssen", winkt er ab. Und wahrscheinlich auch zu viele Kompromisse, die er eingehen müsste. Da ist er seinem Lieblingsfeind, den er vorzugsweise mit dem herrlich englischen Wort "nincompoop" (Einfallspinsel) belegt, wohl nicht ganz unähnlich.

"Es gibt kein Us And Them"

Trotzdem gibt es auch Versöhnliches. Am Ende seines Auftritts in Brooklyn fahren bei "Comfortably Numb" auf der Leinwand zwei Hände aufeinander zu - bis sie einander zu fassen kriegen, sich halten. "Es gibt kein Us And Them - kein wir und die - sondern nur uns alle", sagt Waters. Das ist seine Botschaft.

Im Sommer nächsten Jahres wird Waters nach Deutschland kommen. Für seine Europa-Tournee will er sein Trump-lastiges Programm überarbeiten. Wie seine Show dann aussehen wird? "Ich weiß es selbst noch nicht", sagt er.

Aber da wird ihm schon noch etwas einfallen. Als Waters in Brooklyn die Bühne verlässt, regnen abertausende Papierschnipsel von der Decke auf denen die Aufforderung "Resist!" zu lesen steht. Auch in Europa gibt es eine Menge Dinge, denen man besser widerstehen sollte.

Der Autor reiste auf Einladung der Konzertagentur "Live Nation" nach New York.

(RP)
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