Deutsch, skandalös, ausverkauft Rammstein - eigentlich eine Cabaret-Truppe

Düsseldorf · Die Rockgruppe aus Berlin polarisiert mit deutschtümelnden Texten und nationalistischer Ästhetik. Der Erfolg ist dennoch immens: Rammstein füllt auch in Amerika die Hallen. Nun geht das Sextett erneut auf Tournee, und am Freitag veröffentlicht es sein erstes Best-Of-Album.

Vielleicht sollte man Rammstein nicht als Rock-Band betrachten, sondern als Cabaret-Truppe. Das sind sechs Jungs aus Ost-Berlin, die seit fast zwanzig Jahren mit einer burlesken Teutonen-Revue durch die Lande reisen und ihr deutschtümelndes Sprechtheater mit böse grummelnder Musik aufmotzen.

Zu Hause im Wohnzimmer mag man deren CDs dann zwar immer noch nicht hören, aber die Konzerte können mit diesem Abstand durchaus Spaß machen: Auf der Tournee 2009 durchschlugen die Musiker zu Beginn der Auftritte die Bühnenwand mit langstieligen Streitäxten und schritten also durch das mächtige Loch an die Mikrofone. Das mag nicht jedermanns Sache sein, sieht aber urig aus.

Ein Deutsch-Spektakel

Rammstein veröffentlicht am Freitag ein Best-of-Album, es heißt "Made in Germany", das einzige neue Lied darauf haben sie "Mein Land" betitelt. Sie sind wieder auf Tournee, jeder Auftritt ist ausverkauft, allein in Düsseldorf füllen sie am 4., 5. und 6. Dezember den ISS Dome.

Manchem wird die Rückkehr der Gruppe Unbehagen bereiten, denn viel ist dieser Tage von Rechtsextremismus die Rede. Und Rammstein steht von jeher im Verdacht, aus nationalem Geist heraus Spektakel zu machen.

Das Prinzip Katharsis

Sänger und Texter Till Lindemann (48) nutzt die Dramatik des gerollten "R" voll aus, er trägt seine Stimme vor der Brust. Die Auftritte kokettieren mit der Ledermantel-Ästhetik. Für den Video-Clip zum Song "Stripped" wählten sie Bilder, die Leni Riefenstahl während der Olympischen Spiele 1936 aufgenommen hat. Und die Bundesprüfstelle für jugendgefährende Medien indizierte das Album "Liebe ist für alle da" – wegen unzulässiger Gewaltdarstellung. Das Verbot wurde rasch aufgehoben, aber so viel steht fest: Geschmackssicher ist Rammstein nur ausnahmsweise.

Ihnen aber politische Absicht vorzuwerfen, wäre verfehlt. Der Philosoph Slavoj Zizek, beinharter Marxist, appellierte jüngst, man möge die Band doch bitte als das nehmen, was sie ist – als Varieté-Künstler nämlich: "Rammstein unterläuft die totalitäre Ideologie nicht durch ironische Distanz, sondern durch Konfrontation mit der obszönen Körperlichkeit der ihr zugehörigen Rituale und macht sie damit unschädlich." Das Prinzip Katharsis also, und so versteht man dann auch den Erfolg in Frankreich und Amerika. Dort stehen die Platten von Rammstein in den Top 20 der Charts, in New York spielte die Band 2010 im Madison Square Garden vor ausverkauftem Haus.

Katharina Wagner ist ein Fan

Die Auftritte sind am ehesten mit dem Bombast der Shows von Pink Floyd zu vergleichen. Rammstein arbeitet mit Laserpointer und Feuersäulen, die Bühne mutet an wie die Industrielandschaft aus einem Endzeit-Film, und spätestens beim Song "Rammstein", den Regisseur David Lynch 1997 für seinen Film "Lost Highway" verwendete, steht alles in Flammen. Rammstein, das ist große Oper, und Katharina Wagner, die Chefin des Grünen Hügels in Bayreuth, hat bereits mehrfach bekundet, sie sei ein Fan.

Wer sich auf das dunkle Geraune, den Kommandoton und das blutlüsterne Männlichkeitsgetue dieser Kerle einlässt, wird mitunter tatsächlich belohnt. Das Album "Reise, Reise" von 2004 lohnt die Begegnung. Der Song "Ohne Dich" etwa ist ein wunderbares Stück Liebeslyrik, ein Chanson: "Der Abend wirft ein Tuch aufs Land / Und auf die Wege hinterm Waldesrand / Und der Wald er steht so schwarz und leer / Weh mir, oh weh / Und die Vögel singen nicht mehr." Till Lindemann, von dem es im Eichborn-Verlag einen Gedichtband gibt, zitiert in anderen Stücken Goethes "Erlkönig" und Brechts "Dreigroschenoper".

Bloß nicht zu ernst nehmen

Man kann über Rammstein lachen oder staunen, aber man sollte sie nicht allzu ernst nehmen. "Wir sind nicht schlau", sagt Gitarrist Paul Landers im Interview mit der "FAZ". "Wir sind keine politisch korrekte Band. Wir wollen provozieren, wir wollen Ärger, und wir haben Spaß daran." Das ist es.

(RP/pst/rm)
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