Pop-Star gibt Konzert in Köln Rihanna — die Königin der Unbestimmtheit

Köln · Manchmal möchte man Rihanna schütteln und sie zur Rede stellen. Sie twittert ihr Leben nahezu in Echtzeit, sie ist ihre eigene Soap Opera, und man bekommt es einfach nicht hin, sie sympathisch zu finden. Warum lässt sich von einem Tünnes vermöbeln, der sich Sänger nennt, obwohl kaum einer einen Liedtitel von ihm nennen kann? Etwas später verzeiht sie diesem Chris Brown, der zudem nicht gerade aussieht, als könnte er Hebel von Hebbel unterscheiden, und zieht wieder mit ihm zusammen. Warum? Und warum lässt sie sich mit überdimensionierten Haschzigaretten fotografieren und stellt das Bild stolz online? Man weiß es nicht, aber vielleicht liefert ein Besuch in Köln Antworten.

Rihanna als Vollprofi in Köln
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Rihanna als Vollprofi in Köln

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Der größte weibliche Popstar unserer Tage gab sein erstes von zwei ausverkauften Konzerten in der Lanxess Arena. Jeweils 16.000 Fans jubelten der 25-Jährigen aus Barbados zu, und was direkt auffiel, war die Gelassenheit auf der Bühne, karibische Lässigkeit, ja: Arglosigkeit. In der Champions League des Pop laufen Konzerte eigentlich anders ab.

Madonna, Beyoncé und Lady Gaga predigen über mehr als zwei Stunden, dass man es nur durch Disziplin so weit bringt wie sie. Sie bewegen sich durch mehrere Lastwagenladungen Bühnentechnik wie Tanzroboter, ihre Armmuskeln sind dick wie die Oberschenkel der jüngeren männlichen Zuschauer, und am Ende fordern sie, dass man an sich selbst glauben möge — verdammt noch mal. Bei Rihanna: nichts davon.

Mackertum und Mädchenhaftigkeit

An den Seiten der spitz ins Publikum zulaufenden Bühne hatte sie sich je drei Stufen in Marmoroptik zum Ausruhen bauen lassen. Der Hintergrund mutete an wie ein Tempel mit Statuen und Säulen, da lümmelten sich die vier Bandmitglieder, die sechs Tänzer und Background-Sängerinnen. Darüber liefen auf mächtigen LED-Wänden Filme. Einer zeigte Motorräder, deren Fahrer die Reifen durchdrehen ließen bis sie platzten.

Rihanna verbindet Mackertum und Mädchenhaftigkeit, Bordstein und Fernweh, Vulgarität und Grübchenseligkeit. Sie wirkt, als habe sie trotz großer Hitze tagelang nichts getrunken, die Augenlider sind stets halb geschlossen — so muss sie nicht sehen, was sie nicht sehen will. Sie sagt: In mir habt ihre eine, auf die könnt ihr nicht bauen, aber schließt euch mir an, lustig wird es allemal. Sie will, dass alle ihren Namen rufen, natürlich rufen alle, das genießt sie. Der Popstar-Traum: Man erkennt seine Bedeutung erst, wenn man sich in dessen Wirkung spiegeln kann.

Dass das ein grandioser Abend wurde, lag vor allem daran, dass dieser Mut zur Leistungsverweigerung als Geste der Rebellion funktioniert, also ein Wert an sich ist, und ganz wunderbar zur Musik passt. Rihannas Songs, die Hits zumal, haben enorme Schubkraft. "Only Girl" etwa oder "Don't Stop The Music" machen Lust auf Bier und Jungsein, das ist reiner Rhythmus in wüster Lautstärke, das sind Bass und Beats, dazu jene Geräusche, die man in Videospielen hört, wenn man auf etwas getreten ist, das bei Berührung explodiert.

Ausnahmsweise steigt eine verhuschte Melodie auf, bald ist sie verweht. Diese dicke Suppe aus Sounds trägt Rihanna, sie setzt sich hin und lässt das Publikum die Refrains singen. Das Sich-Treibenlassen ist Programm, Rihanna ist die Königin der Unbestimmtheit, hat keine Grundsätze, fügt sich ins Unausweichliche — ihre Philosophie ist der Fatalismus.

Ein Konzert in fünf Akten

Das Konzert besteht aus fünf Akten. Der erste ist düster, Rihanna trägt ein schwarzes Korsagenkostüm. Beim zweiten ist sie ganz bei sich, sie singt Reggaesongs im T-Shirt, das passt gut zu einer Frau, die eine teure Sonnenbrille aufsetzt, wenn sie sich anständig kleiden möchte. Teil drei ist Rock, "Jump" und "Umbrella" werden mit harten Gitarren unterlegt, Rihanna trägt ein Kostüm, das aussieht, als habe Piet Mondrian es für die Neuauflage des "Barbarella"-Films entworfen.

Danach gibt es Balladen: "Love The Way You Lie" und "Take A Bow"" Der fünfte Teil ist der Höhepunkt, Ekstase, Durchdrehen. Rihanna trägt eine Glitzerjacke, sie wirft sie weg, rennt ins Publikum, stellt sich auf die Absperrung, singt den Song "S&M".

Die Fans sind jung, im Auditorium ist es fast so hell wie auf der Bühne, weil jeder sein Handy hochhält. Aber man spürt auch den Eltern an, die als Begleitung mitkamen, dass das hier Charme hat. Das zunächst skeptische Paar um die 60, das neben der euphorisierten Enkeltochter sitzt, wippt mit und lächelt.

Tatsächlich ist Rihanna eine Wucht. Vielleicht fällt man jetzt auf sie herein, aber: Die ist so, wie sie sich gibt. Sie entzieht sich der Dauerevaluierung der Correctness-Wächter. Selbstbestimmung bedeutet für sie, dass sie selbst bestimmt, ob sie Mist macht. Sie ist das Gegenbild zur Hyper-Perfektionistin Beyoncé, der Gattin ihres Entdeckers Jay Z. Das Paar beherrscht New York, zu Parties kommt es erst, wenn er seine Maybachs poliert hat und sie mit der Power-Aerobic fertig ist. Wenn beide erscheinen, liegt Rihanna bereits unter dem Tisch.

Als Zugabe bringt sie "Diamonds" im Glitzer-Einteiler. Sicher taugt sie nicht zum Vorbild. Sie rät uns nichts, lässt sich einfach treiben. Aber für die Dauer eines Liedes ist das total sympathisch.

(das)
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