"Lost In The Dream" Großartig: das neue Album von The War On Drugs

Düsseldorf · Ist das schon die Platte des Jahres? Das Quartett aus Philadelphia legt mit "Lost In The Dream" ein überwältigendes Album vor.

The War On Drugs: "Lost In The Dream" - großartiges neues Album
Foto: Cover

Manchmal würde man die Leute gern zu ihrem Glück zwingen. Die Veröffentlichung der neuen Platte von The War On Drugs ist wieder ein Anlass, das zu denken: Dürfte man doch Menschen in einen gemütlichen und warmen Raum ohne Telefon bitten, die Türen abschließen und sie mehrere Male das Album "Lost In The Dream" anhören lassen. Am Ende wären sie glücklicher, das steht fest, sie würden lächeln und sich bedanken und dann mit Nachdruck darum bitten, dass sie die tolle CD mit nach Hause nehmen dürfen.

"Lost In The Dream" ist bereits das dritte Album der Gruppe aus Philadelphia, aber erst jetzt hat die Musik von The War On Drugs Dringlichkeit, erst hier wirkt zwingend, was sie zuvor erprobt hat. Das Quartett um den perfektionistischen und obsessiven Songwriter und Sänger Adam Granduciel baut seine Songs aus bewährten Zutaten. Die Gitarre erinnert an die frühen Soundexkursionen der Dire Straits, an das 14-minütige "Telegraph Road" vom '82er Album "Love Over Gold" etwa. Der Drumcomputer scheint auf Klaus Dinger programmiert zu sein, den Schlagzeuger der Düsseldorfer Gruppe Neu!. Hippietum und Neonlicht. Zwischendurch legen sie Synthesizer-Flächen à la Tangerine Dream aus, darauf darf dann ein Saxophon säuseln.

Das ist psychedelische Musik, The War On Drugs halten sich die großen Vorbilder durch Originalität vom Leib. Die Stücke dehnen und strecken sich über acht, neun Minuten, sie kreisen den Hörer ein, umschmeicheln ihn geradezu. Man lässt sich mitreißen in diesem Strom, und gelockt wird man von der Stimme Adam Granduciels, bei der man an Mark Knopfler denken muss, an Bruce Springsteen — und an Bob Dylan, wenn sie gelegentlich nach oben hin ausbricht.

Überhaupt das Ausbrechen. Man kann Kompositionen wie "An Ocean In Between The Waves" in musikwissenschaftliche Seminare mitnehmen und an ihnen die Architektur zeitgemäßer Popmusik studieren. The War On Drugs schichtet die Sounds mit Akribie übereinander, zwei Jahre haben sie an dieser Platte gearbeitet, pingelig bis ins Detail, und sie bauen eine Spannung auf, die so groß ist, dass die Musiker sie bisweilen selbst nicht mehr aushalten. Das sind dann die magischen Momente, wenn Adam Granduciel nämlich "Huh" schreien muss oder "Hah", weil das Leben so intensiv ist, die Melancholie so dicht und das Lied unfassbar perfekt.

"Lost In The Dream" ist eine dieser Platten, die mit jedem Hören wachsen. Man sollte viel Zeit mit ihr verbringen, sie gibt ihre Geheimnisse erst allmählich preis. Man kann nie auf den Grund sehen, diese Musik bleibt immer faszinierend.

(hol)
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