Heavy Metal Triumph der bösen Gitarren

Düsseldorf · Die Musikrichtungen Heavy Metal und Hardrock boomen. Die aktuellen Alben von Metallica und AC/DC sprengen Verkaufsrekorde und retten die Bilanzen der Plattenfirmen für das laufende Jahr. Das Paradoxe: Erfolgreich ist das Genre, weil es keine Trends kennt und erzkonservativ ist.

Metallica rockt Berlin
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Als die Amerikaner 1989 in Panama einmarschierten und sich Diktator Noriega nicht ergeben mochte, entschied man sich für eine eher unübliche Art der Kriegsführung. Das Versteck Noriegas wurde mit Musik beschallt: AC/DC und Metallica in voller Lautstärke. Nach 24 Stunden gab Noriega völlig entkräftet auf. Er wollte dann doch lieber ins Gefängnis, ein bisschen ausruhen. Das ist fast 20 Jahre her.

Heute sind die neuen Alben der beiden Bands drauf und dran, die erfolgreichsten Veröffentlichungen des Jahres zu werden. Warum nur? Denn auf den ersten Blick, meint man, müsste es den meisten Hörern zumindest mit Metallica ergehen wie Noriega. Das Album "Death Magnetic" bietet Thrash-Metal, eine ultrabeschleunigte Spielart der ohnehin schon rasch gespielten Gitarrenmusik namens Heavy Metal. Die Kalifornier gelten als Mit-Begründer des Unter-Genres, das es seit den 1980er Jahren gibt. Ein sonisches Trommelfeuer kesselt den Hörer ein, die Gitarren singen pro Song bis zu acht Minuten lang in rasiermesserscharfen Terzen, das Schlagzeug wird brutal verdroschen, und Sänger James Hetfield keucht in schwarze Haut von bösen Tieren gewandet der Welt seinen Scharlach-Atem entgegen, von Krieg, Tod und Tyrannei kündend. 400 000 Menschen haben sich die CD in den vergangenen drei Wochen gekauft — Doppelplatin.

AC/DC geht es ruhiger an, Hardrock, den Bass immer auf derselben Note, die Gitarre muss bloß Ein-Akkord-Riffs spielen, schön dreckig und möglichst metallisch, und das Songschema ist immer das gleiche wirkungsvolle: Strophe, Strophe, Solo, Strophe. Brian Johnsons rostige Stimme kommt aus den Tiefen der Nacht, in der die Zahl der Bierbestellungen längst zweistellig ist. Sie erzählt von den Freuden des Rock 'n' Roll, von großherzigen Frauen, von Eisen und wieder von Rock 'n' Roll. Musik für Kerle in Jeans und T-Shirt. Wenn man bei Metallica ein Dröhnen im Ohr hat, ist es bei AC/DC ein Pfeifen.

Die Kassen klingeln in jedem Fall. AC/DC hat 15 Alben eingespielt, das erfolgreichste davon, "Back in Black" von 1980, kursiert weltweit in 42 Millionen verkauften Kopien. Fast eine Woche ist "Black Ice" nun auf dem Markt, 140.000 Mal hat es sich verkauft — als CD und LP wohlgemerkt, denn zum Download im Internet gibt Angus Young, der stets Schuluniform tragende Chef von AC/DC, seine Songs nicht her.

Einige Menschen sehen im Erfolg der harten Musik eine erste Reaktion auf die Zeiten der Krise, der riskanten Finanzmanöver. Musik als Ventil, mit klingender Aggression gegen die Unsicherheit und so. Aber diese Erklärung greift nicht. Denn der aktuelle Abverkauf ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die schon vor einiger Zeit begonnen hat. Allein in den letzten Monaten erreichten mit Slipknot, Iron Maiden, Judas Priest und Nightwish vier dem harten Genre angehörende Gruppen die Top 5 der deutschen Charts. Und die neue CD von Motörhead ist mit offiziell 200.000 abgesetzten Exemplaren eine der erfolgreichsten der 30-jährigen Bandgeschichte. Hits, die ohne großen Werbeaufwand und nennenswerten Einsatz im Radio und im Musik-Fernsehen entstanden.

Auch wenn es angesichts der finsteren Bewegtheit der Musik komisch klingt: Heavy Metal verkauft sich gut, weil es ein erzkonservatives Genre ist. Es gibt auch hier Trends wie Metalcore, aber im Großen und Ganzen pflegt man die Tradition und erstklassige Produktionen. Die aktuellen Veröffentlichungen von AC/DC und Metallica sind traditionelle und hochwertige Platten: Sie klingen energetisch wie die Referenz-Werke dieser Bands von 1980 und 1985.

Außerdem haben diese Künstler den Vorteil, dass sie zwei bis drei Generationen von Fans hinter sich versammeln. Diese Anhänger wollen keine digitalen Sperenzchen oder auf CD-Rohlinge gebrannte Raubkopien, sie leisten sich CDs oder LPs mit Cover-Artwork und Textheften zum Nachvollziehen der auf Platte oft nur guttural angedeuteten Verse. Sie kritisieren ihre Lieblingsbands in Blogs und Chatforen scharf, wenn aus deren Studios Langweiliges kommt; aber sie halten ihnen die Treue, kommen zu Konzerten. Man kann das Genre als das letzte unabhängige in der populären Musikindustrie bezeichnen. Die Künstler arbeiten größtenteils ohne Vorgaben — anders als Debütanten im Bereich Pop/Rock, die auf den Sound der Stunde gebürstet werden, im Moment auf Soul a la Amy Winehouse.

Obwohl sie Millionen von Platten verkaufen und gigantische Umsätze erzielen, bewahren sich die großen Metal-Bands eine Atmosphäre der Unabhängigkeit und des untergründigen Rebellentums. Was passiert, wenn man diesen dem Kernklientel wichtigen Aspekt missachtet, sieht man an der Grupe Bullet for my valentine. Die Waliser wurden in der Szene hochgelobt und kamen durch die Vermarktung der Plattenfirma Sony in die "Bravo". Daraufhin brach die Basis weg. Für den Massenmarkt ist die Musik indes zu speziell und bald veraltet. Es droht der Flop. Die Ohren summen zwar noch. Aber die Kassen, sie klingeln nicht mehr.

(RP)
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