Van Morrison wird 70 Sänger der Seele

Düsseldorf · Der als stets grummelig bekannte Altmeister des Blues feiert seinen 70. Geburtstag. Van Morrison hat stets das Beste verschiedener Musikrichtungen vereint. Musikredakteur Phillipp Holstein gratuliert ihm zum Geburtstag.

 Van Morrison ist für seine unverwechselbare Stimme bekannt.

Van Morrison ist für seine unverwechselbare Stimme bekannt.

Foto: dpa, hog cv pro

Van Morrison hat heute Geburtstag, vor 70 Jahren wurde er in Belfast geboren, und wünschen muss man ihm gar nichts, er hat ja alles: diese Stimme nämlich, und mehr braucht niemand. Also darf man die Gelegenheit nutzen und sich bedanken - dafür, dass er diese Stimme weiterhin in die Welt trägt, dass er nicht nur daheim für seine zweite Frau singt oder in der Dusche für sich selbst oder gar nicht mehr. Gerade sind Dutzende Alben von Van Morrison in digitaler Form erschienen, einige davon waren seit Jahren kaum oder gar nicht zu bekommen.

Man hört von Eingeweihten, den "Vanaten", ja stets, "Astral Weeks" (1968) und "Moondance" (1974) seien seine Meisterwerke, aber wer es noch nicht kennt, sollte sich das endlich wieder greifbare "Veedon Fleece" aus dem Jahr 1974 anhören: Es ist der Gral, eine der schönsten Platten der Welt, pures Gold. "Streets Of Arklow" ist das größte Juwel in diesem Schatz, und es könnte sein, dass einem die Tränen kommen bei diesem Lied. "And as we walked through the streets of Arklow / Oh, the color of the day wore on", singt Van Morrison. "And our heads were filled with poetry / And the morning a-comin' on to dawn."

Am Ende dieses Songs kennt man den Unterschied zwischen Hören und Fühlen: "And our souls were clean and the grass did grow", singt Van Morrison. Er lässt sich vom silbernen Faden der Erinnerung in die Vergangenheit hinabziehen, und weil er die Hand ausstreckt, greift man zu und kommt mit.

Van Morrison erreicht die Seelen seiner Hörer

Van Morrison weiß, dass man mit Texten in die Köpfe der Hörer gelangt. Er weiß, dass man mit der Hilfe von Melodien Texte in die Herzen der Hörer bringen kann. Und ihm gelingt es sogar, das Verhältnis von Text und Melodie so perfekt auszutarieren, dass er bis in die Seelen der Hörer vordringt.

Wer heute beispielsweise Hermann Hesse wieder begegnet, wer "Narziss und Goldmund" noch einmal liest, merkt vielleicht, dass der Eingang seiner Seele nun woanders liegt, dass dieser einst geliebte Text ihn nicht mehr findet. Die Musik von Van Morrison indes trifft immer auf ein offenes Seelentor, vielleicht, weil sie ohne Kitsch auskommt. Kitschig ist etwas, weil es jemandem um den Effekt geht und nicht um die Wahrheit. Kitschig wird es, wenn jemand zu viel hinzugibt, weil er weiß, dass in seinem Werk nicht genug Wahrheit steckt.

Im Werk von Van Morrison gibt es trotz Violinen und Flöten keine Sekunde, die kitschig wäre; es ist zeitlos. Man wird auch in 50 Jahren noch seine Platten hören wollen, und dass man sich heute und in dieser Welt überhaupt darauf freut und darauf hofft, in 50 Jahren noch dazusitzen und Musik zu hören, ist der Weltzugewandtheit des Werks von Van Morrison zu verdanken. Seiner Menschenfreundlichkeit und Seelenverbundenheit.

Hört sich kitschig an, ist aber wahr.

(hols)
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