Düsseldorfer Kunstberater veröffentlicht Buch Neue Enthüllungen über Jörg Immendorff

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach war ein Freund des exzentrischen Künstlers und ein Händler seiner Werke. In seinem soeben erschienenen Buch beschreibt er auch, wie der Vertraute ihn getäuscht haben soll.

"Hör mal Chef!" So meldete sich Jörg Immendorff immer bei seinem Freund Helge Achenbach am Telefon. Und Achenbach wusste sogleich, was los war. Der Künstler brauchte wieder einmal Geld, das sein Berater ihm geben sollte. Immendorff hatte ihm erzählt, dass er eine russische Ärztin kennengelernt hatte, die bei ihm eine erfolgversprechende Therapie seiner unheilbaren Nervenkrankheit ALS durchführen wollte. Für jede der 20 erforderlichen Behandlungen, eine Art Blutwäsche, würde er 25.000 Euro hinlegen müssen. Achenbach zahlte selbstverständlich. Aber er ahnte damals nicht, dass das Geld offensichtlich für andere Dinge draufging.

Diese Szenen zwischen dem 2007 gestorbenen exzentrischen Skandalkünstler und dem Düsseldorfer Kunstberater haben sich im Jahre 2000 abgespielt. In seinem soeben erschienenen Buch "Helge Achenbach. Der Kunstanstifter — vom Sammeln und Jagen" rollt Helge Achenbach (61) diesen Fall noch einmal auf.

Wenig später, heißt es in dem Vorabdruck für die "Welt am Sonntag", stand Immendorff vor Gericht wegen Kokain-Missbrauchs und Überlassung der Droge an andere. Immendorff hatte im August 2003 in einem vornehmen Düsseldorfer Hotel Partys mit neun Prostituierten gefeiert und war während einer Razzia festgenommen worden. Man hatte mehr als 21 Gramm Kokain gefunden, schreibt Achenbach. Der Anruf eines befreundeten Redakteurs der Rheinischen Post habe ihn in seinem italienischen Ferienhaus kalt erwischt. "Mir dämmerte, dass Jörg das Geld gar nicht für das russische Spezialprogramm gebraucht hatte", schreibt Achenbach, "sondern für seine ,orientalischen Nächte'". Ein paar Sätze weiter räumt er ein: "Ich habe seine Drogen- und Sexparties finanziert. Mir war nicht klar, dass er so extrem drogenabhängig war."

Die Überraschung nimmt man Achenbach nicht ganz ab, beschreibt er doch eingangs in dem Kapitel über Immendorff ("Der Affe war sein Alter Ego") bereits ausführlich, wie er den Künstler einschätzte. Kennengelernt hatten sich beide in Immendorffs Stammkneipe, dem "Weißen Bären". "Damals kannte jeder in Düsseldorf den gut aussehenden, ungestümen Mann mit Lederjacke und Goldkettchen. Und wie immer war Jörg von einer Menge superschöner Mädels umschwärmt. Die Kneipe war so etwas wie seine Zentrale; von da an wollte er die Welt mit seiner Kunst und mit seinen Reden verändern", heißt es in dem Buch.

Fortan handelte man geschäftlich gemeinsam, bereitete Ausstellungen vor, trat mit dem Markenzeichen Immendorffs, seinen Affenskulpturen, einen weltweiten Werbefeldzug an. Achenbach war es auch, der den Bildhauer ("Café Deutschland") ins Gespräch bringen wollte, in Düsseldorf den Platz der Deutschen Einheit vor der Landeszentralbank zu gestalten. Doch dieses Projekt scheiterte. Achenbach: "Weil es mir nicht gelang, die konservativen Vorstandsvorsitzenden von der Qualität des Immendorffschen Werkes zu überzeugen. Für sie war er ein rotes Tuch, im wahrsten Sinne des Wortes. Immendorff, überzeugter Maoist, durfte keine Arbeit für das kapitalistische Bürgertum machen."

Der Kontakt zwischen den beiden intensivierte sich noch, schreibt Achenbach, bevor er die Razzia-Szenen ausbreitet. "Seine Arbeiten waren unpolitischer und damit auch verkäuflicher geworden. In jenen Jahren nahm allerdings auch sein Drogenkonsum zu, und das hatte fatale Folgen. Nicht nur für seine Gesundheit. Sondern jetzt brauchte er auch ständig Geld." Achenbach sei für den Künstler der erste Ansprechpartner gewesen, obwohl dieser damals schon gut verkauft habe. "Ich denke, er hat einfach über seine Verhältnisse gelebt", heißt es in dem Buch. "Sein Drogenkonsum und seine aufwendigen Feiern mit Prostituierten waren ja nicht gerade billig."

2007 ist Jörg Immendorff im Alter von 61 Jahren gestorben, sein Werk lebt weiter, der Streit um sein Erbe wird vor Gericht ausgehandelt. Sein unehelicher Sohn Jean-Louis, den er gemeinsam mit der Düsseldorferin Marie-Josephine Lynen hat, aber zu Lebzeiten ignorierte, will teilhaben; die eheliche Tochter Ida, die Immendorff mit der Künstlerin Oda Jaune hat, soll nach dem letzten Willen Alleinerbin sein. Achenbach selbst kämpft vor Gericht mit Immendorff-Witwe Jaune. Es geht um Anteile an Vermarktungserlösen der Affenskulpturen und um eine halbe Million Euro. Davon steht nichts in dem Kapitel des Buches, das als Enthüllungsbuch für pikante Überraschungen in der Kunstszene sorgen dürfte. Geschrieben ist es in der Ich-Form, gespickt mit Bonmots, stilistisch mehr Jargon als literarische Sprache. Bleibt abzuwarten, ob sich nicht bald schon einer der Betroffenen mit Enthüllungen über Helge Achenbach revanchiert.

Der Kunstmarkt ist ein Dickicht mit Licht und Schatten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort