"New York Jackie" Bildband über Jackie Kennedy-Onassis

Düsseldorf · Ein Bildband versammelt unbekannte Ansichten von Jackie Kennedy-Onassis. Man meint, dem Mythos in diesen Bildern tatsächlich näher zu kommen. Das Schöne an diesem Bildband ist, dass die Aufnahmen dieser Frau eben nicht im Klischee der Unnahbarkeit stillstellen, sondern eine Passantin zeigen, eine Nachbarin, ja: eine Freundin.

Die Bilder zeigen ausschließlich die späte Jackie, die Fotoreihe beginnt zwei Jahre nach der Ermordung John F. Kennedys 1963 in Dallas. Jackie war die betörende Präsidentengattin gewesen, die beeindruckende Ehefrau, die das blutverschmierte Kostüm auf dem Rückflug vom Tatort nach Washington nicht wechseln wollte, um den Menschen zu zeigen, wie schlimm dieses Attentat war. Die Witwe zog nach dem Begräbnis zu ihrer Familie nach New York, und 1965 beendete sie die Zeit der Trauer mit einem Partybesuch. Berittene Polizisten hielten die Menge fern, Fotografen stießen Tische um und zerbrachen Gläser, und die Zeitungen schrieben: "Am besten ist sie beim Twist."

Die erste Veränderung, die man auf diesen Schnappschüssen bemerkt, die etwas charmant Verhuschtes haben, etwas Zufälliges und deshalb Unverstelltes und Intimes, ist diese: Jackie Kennedy findet einen neuen Stil. Sie legt die berühmten Pillbox-Hütchen, Handschuhe und pastellfarbenen Kostüme ab und schreitet in Leinenhose oder Minirock durch die Stadt, im Gesicht stets eine übergroße Sonnenbrille. Sie gilt als begehrenswerteste Junggesellin der Nation, mit Soraya als meistbewunderte Frau der Welt. Sie ist Anfang 30, und die Magazine mutmaßen im Wochentakt, wer ihr nächster Gatte werden wird. Sie haben viel zu schreiben: Jackie flirtet mit Lord Harlech, dem Präsidenten der britischen Filmzensur-Behörde, mit Sinatra, Brando und dem spanischen Vatikan-Botschafter, Antonio Garrigues. Geheiratet hat sie indes einen anderen: Aristoteles Onassis.

1968 ist das, und das wäre eine der Fragen, die man Jackie O., wie sie nach der spektakulären Eheschließung genannt wurde, gern gestellt hätte: Warum ihn? Der griechische Reeder und Herr über 900 Schiffe ist 23 Jahre älter, er ist mit Maria Callas liiert, das weiß jeder, und sein wenig subtiles Motto lautet: "Du musst immer oben schwimmen — wie Öl". Einen solchen Ring, wie er ihn Jackie an den Finger steckt, schenkt er auch anderen Damen — nur dass darin nicht "JILY" eingraviert ist, "Jackie I Love You" also, sondern Tina oder Maria. Warum also Onassis? "Mein Vater liebt bekannte Namen, und Jackie liebt Geld", antwortet Onassis' Sohn.

Onassis nennt Jackie abfällig seinen "Supertanker", weil sie so teuer sei, denn sie reist oft nach Paris zum Einkaufen. Sie sehen einander selten, und 1975 stirbt Onassis; angeblich ließ er gerade die Scheidung vorbereiten. Der Ehevertrag sieht für die Witwe 27 Millionen Dollar vor. Jackie O. zieht wieder nach New York, an der Fifth Avenue lebt sie in einem 15-Zimmer-Apartment. Sie arbeitet als Lektorin bei Viking, verlässt das Verlagshaus aber, nachdem es ohne Absprache jenen Thriller von Jeffrey Archer veröffentlicht hat, der davon handelt, dass Edward Kennedy Präsident der USA wird. Jackie lektoriert von 1978 an bei Doubleday. Drei Tage die Woche, zehn bis zwölf Bücher pro Jahr, darunter Bestseller wie "Moonwalk" von Michael Jackson und Titel von Nagib Machfus.

Die Bilder aus den 70er und 80er Jahren sind besonders faszinierend. Jackie O. gibt kaum mehr Interviews, und falls doch, dürfen die Reporter nichts zur Vergangenheit fragen, keine Tonaufnahmen machen. Jackie wird zum Mythos. Dabei zeigen die Fotos keineswegs eine entrückte, sondern eine heitere Frau. Charmant, selbstbewusst, interessiert. Sie spaziert durch die Straßen, um ein Lächeln zu stehlen. Sie joggt im Central Park, liest Bücher auf der Motorhaube eines Pickups, geht aus, lässt sich vom Diamantenhändler Maurice Tempelsman begleiten, trifft die Familie.

Ihre letzten Jahre verbringt Jackie in New York sowie auf ihren Anwesen in New Jersey, Massachusetts und Martha's Vineyard. Sie setzt sich für den Schutz historischer Bauwerke ein, geht sogar auf die Straße dafür, sie arbeitet bis zum Schluss im Verlag, und sie kann immer noch ziemlich gut feiern. Am Ende sieht man sie mit ihren Enkelkindern: eine lässige Großmutter. Es ist verrückt, sentimentale Projektion, aber man stellt sich vor, man wäre ihr damals begegnet. Man fühlt sich nach Lektüre dieses Buches derart vertraut, ihr so gewogen, dass man gewagt hätte, Fragen zu stellen. Es gibt so viel, das man nicht begreift. Die Sache mit Onassis. Das Leiden am Namen Kennedy. Die vielen Toten in der Familie. Was würde Jackie tun? Sie hätte vermutlich gelächelt. Und geschwiegen.

Im Januar 1994 wird bei ihr Krebs diagnostiziert. Sie stirbt wenige Wochen später. Jackie Kennedy-Onassis wurde 64 Jahre alt.

(RP)
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