Bonn Niroz Malek - ein Autor schreibt mitten aus Aleppo

Bonn · Als "Sohn des Friedens" wird Niroz Malek geboren. Das war 1946 - das erste Friedensjahr nach dem Zweiten Weltkrieg und überdies das Jahr nationaler Unabhängigkeit: Am 17. April 1946 verließ der letzte französische Soldat Syrien. Was aus dem Land geworden ist, verfolgen wir fast täglich in Schreckensnachrichten aus dem Bürgerkrieg. Und Niroz Malek, der Erzähler, ist mittendrin: durchstreift seine Geburtsstadt Aleppo, in Sorge um das eigene Leben, in Trauer um die Toten, in Bitterkeit über seine Familie, die in alle Welt verstreut ist. In Kanada und den USA leben seine Verwandten heute und in Deutschland.

Das ist mittlerweile der Alltag des Landes, nicht die Ausnahme. Mehr als zwölf Millionen Syrer sind auf der Flucht. Malek aber bleibt. Und schreibt, auch wenn er dafür von der sogenannten Staatssicherheit verhört und einmal auch inhaftiert wurde.

Aber noch immer versteht er sich als Spaziergänger durch eine längst untergegangenen Welt. In 57 Prosaminiaturen - zu längeren Texten fehlen die Ruhe und der lange Atem - durchstreift er seine Stadt.

Und es beginnt gleich mit einer Detonation, die ihn dennoch ausharren lässt. Denn würde er seine Bücher verlassen, heißt es, würde er auch seine Seele zurücklassen. Das Leben in Aleppo ist ein Leben zwischen Checkpoints. Und obwohl alles ihm seit Kindheitstagen vertraut ist, geht die Orientierung mit jeder neuen Bombe verloren. Wo ist sie explodiert? Wohin kann man jetzt laufen? Wer ist gestorben? Und so weiter.

Das Vertraute wird zum tödlichen Labyrinth, dem Malek mit seiner Sprache zu entkommen sucht. Wenn etwa die Menschen aus Not die Bäume der einst romantischen Parks kleinsägen, schreibt er: "Sie machten Brennholz aus den Geschichten der Liebenden." Niroz Malek ist ein Autor geblieben; doch aus dem Sohn des Friedens ist ein Sohn des Krieges geworden.

(los)
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