Schönhausen Zu Besuch bei Otto von Bismarck

Schönhausen · Ausstellungstrilogie: Eine Rundreise zu den wichtigsten Erinnerungsorten an den Reichskanzler, der vor 200 Jahren geboren wurde.

Otto von Bismarck: Rundreise zu wichtigen Erinnerungsstätten
Foto: Museum

Die zentralen Erinnerungsstätten an Fürst Otto von Bismarck liegen etwas abseits: Im altmärkischen Schönhausen wurde er am 1. April 1815 geboren; im fränkischen Bad Kissingen verbrachte er 15 Kuraufenthalte; im lauenburgischen Friedrichsruh steht das Mausoleum des 1898 gestorbenen ersten Kanzlers des Deutschen Reiches. Alle drei Orte haben ein Bismarck-Museum. Anlässlich des 200. Geburtstags des "Eisernen Kanzlers" präsentieren sie eine Ausstellungstrilogie: Schönhausen widmet sich der Familie; Bad Kissingen untersucht Bismarcks Europapolitik; Friedrichsruh präsentiert ihn als Kultfigur und Markenzeichen.

Ottos Vater, der Gutsbesitzer Ferdinand von Bismarck, ließ folgende Geburts-Anzeige in die Zeitung setzen: "Die gestern erfolgte glückliche Entbindung meiner Frau von einem gesunden Sohne verfehle ich nicht allen Verwandten und Freunden, unter Verbittung des Glückwunsches, bekannt zu machen. Schönhausen, den 2. April 1815." Solche Bescheidenheit blieb Otto in seinem weiteren Leben erspart. Er war bestrebt, im Mittelpunkt zu stehen, und ließ sich gern feiern. Den Höhepunkt bildeten die Ehrungen zu seinem 80. Geburtstag: Ihn erreichten Tausende von Glückwunschtelegrammen sowie 32 Waggons voller Geschenke.

Bereits 1891 hatte er in Schönhausen ein Museum für seine Ehrengaben eröffnet. Es wurde 1948 aufgelöst. In der Dauerausstellung des heutigen Museums wird neben persönlichen Gegenständen wie Bismarcks weißer Galauniform, in der er auf dem berühmten Gemälde "Kaiserproklamation in Versailles" zu sehen ist, eine Auswahl der Geschenke gezeigt. Zu den auffälligsten Stücken gehören die Statuette einer das Schwert schwingenden Germania, die ihm Kaiser Wilhelm I. verehrte, und ein Bierseidel in Form von Bismarcks Kopf mit aufklappbarer Pickelhaube.

In der zweiten Schönhausener Sonderschau lernt man anhand von Porträtreproduktionen wichtige Vorfahren Ottos kennen. Schönhausen war seit 1562 in Familienbesitz. Die DDR-Regierung ließ 1958 das Hauptgebäude des Schlosses sprengen. Erhalten ist der Seitenflügel. In ihm ist das Museum untergebracht. Im Garten hat der Jubilar Spuren hinterlassen. Die Herkules-Statue hat ein durchsiebtes Hinterteil, seit sie vom 14-jährigen Otto mit Schrot beschossen wurde. Unweit steht die Patronatskirche. Ottos Taufstein wird gerade restauriert. Die Familie von Bismarck ist seit dem 13. Jahrhundert in der Altmark nachweisbar. Heute leben rund 300 Bismarcks in aller Welt. Elf von ihnen stellen sich in der mit Objekten aus Familienbesitz bestückten Schau "Familie im Wandel - dargestellt am Beispiel der altmärkischen Familie von Bismarck" im Altmärkischen Museum Stendal vor.

Tangermünde feiert Otto von Bismarck im Burgmuseum. Den Privatsammler Hans-Joachim Mellies fasziniert der Mythos. Den dokumentiert er mit Bildpostkarten, Büsten und Statuetten. Obwohl Bismarck in Bad Kissingen 1874 fast einem Attentat zum Opfer gefallen wäre, kehrte er zwischen 1876 und 1893 zu 14 mehrwöchigen Kuraufenthalten zurück. Solebäder und strenge Diät hatten auf den wegen üppiger Speisen und geistiger Getränke in hoher Dosierung an Übergewicht leidenden Reichskanzler eine wohltuende Wirkung. Um weiteren Attentaten vorzubeugen, wurde Bismarck mit Gattin Johanna und den Kindern Marie, Herbert und Wilhelm auf Geheiß des bayerischen "Märchenkönigs" Ludwig II. weit vom Schuss in der Oberen Saline untergebracht. Auf dem Weg dorthin begegnet man dem ersten Standbild, das Bismarck errichtet wurde (1877).

In den ehemaligen Wohnräumen Johannas ist eine Dauerschau zu Bismarcks Leben und Wirken in Kissingen eingerichtet. Blickfang ist die mit einem roten Sessel ausgestattete "Bismarck-Waage". Regen Absatz fanden die Porträts, die der Kissinger Prominentenfotograf Jacques Pilartz von Bismarck anfertigen durfte. Beste Beziehungen unterhielt Bismarck zum Prominentenmaler Franz von Lenbach, der 80 Porträts von ihm produzierte. Stets lässt Lenbach aus der Dunkelheit Bismarcks Haupt hervortreten. Bismarck als "heller Kopf", wenn nicht gar als "Erleuchteter".

Unverändert sind Bismarcks Wohnräume erhalten: der Festsaal, das Schlafzimmer mit Nachttopf unter dem Bett und das Arbeitszimmer. In ihm diktierte er seinem Sohn Herbert 1877 seine grundsätzliche Lagebeurteilung und Zielsetzung der Außenpolitik. Für wünschenswert hielt er "eine politische Gesamtsituation, in welcher alle Mächte außer Frankreich unser bedürfen, und von Koalitionen gegen uns durch ihre Beziehungen zueinander nach Möglichkeit abgehalten werden." Dieses als "Kissinger Diktat" berühmte Grundsatzpapier liefert den Anstoß zu einer ab Mai laufenden Sonderschau, die sich Bismarcks Europapolitik widmet.

Während sich Bismarcks Außenpolitik nach der Bildung des deutschen Nationalstaats durch Mäßigung, Bündnisse und Interessenausgleich auszeichnete, gilt seine auf Konfrontationskurs gegen den politischen Katholizismus, Sozialisten und nationale Minderheiten gerichtete Innenpolitik trotz der von ihm in die Wege geleiteten Sozialgesetzgebung als fragwürdig. Ulrich Lappenküper, Leiter der Otto-von-Bismarck-Stiftung mit Sitz in Schönhausen und Friedrichsruh, urteilt: "Bismarck war fortschrittlich und reaktionär, friedliebend und kriegsbereit, treu und verräterisch, gottesfürchtig und verschlagen, kurzum ein Mensch mit Widersprüchen in einer Epoche voller Umbrüche." Das verdeutlicht die im historischen Bahnhof von Friedrichsruh eingerichtete Dauerausstellung der Bismarck-Stiftung.

Friedrichsruh liegt inmitten des Sachsenwaldes, den Bismarck 1871 von Kaiser Wilhelm I. geschenkt bekam. Seine Nachfahren residieren noch heute in Friedrichsruh. Auf der anderen Straßenseite ihres Anwesens steht das Bismarck-Museum. Die mit persönlichen Gegenständen und Dokumenten ausgestattete Dauerausstellung lädt zu einem Gang durch Bismarcks Leben ein. Das prunkvollste Exponat ist ein Geschenk der Hohenzollern: Anton von Werners berühmtes Gemälde "Kaiserproklamation in Versailles am 18. Januar 1871" (1885). Ab Ende April wird die Sonderschau "Bismarck als Kultfigur und Markenzeichen" gezeigt. Zum Mythos, der sich von der realen Person immer mehr löste, wurde Bismarck nachdem ihn Kaiser Wilhelm II. 1890 aus allen Ämtern entlassen hatte. Davon künden bis heute mehr als 450 Ehrenbürgerschaften, 200 Bismarcktürme und unzählige Straßennamen. Er stand Pate für Sekt, Korn und Heringe, Tabak, Rasierklingen und Motorräder.

(RP)
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