Rom / Düsseldorf Papst: Auch Verheiratete als Priester denkbar

Rom / Düsseldorf · In seinem ersten Interview mit einer deutschen Zeitung werden der Priestermangel und der Pflichtzölibat zum Thema.

Papst Franziskus hat zu den Deutschen gesprochen - mit dem ersten Interview, das er einer Zeitung hierzulande gegeben hat. Gegenüber dem Chefredakteur der "Zeit", Giovanni di Lorenzo, spricht er auch über sich - so bescheiden und unkonventionell, wie die Menschen ihn wahrnehmen und schätzen. Er kann über sich lachen, sagt er; auch sieht er sich "nicht als etwas Besonderes"; er gesteht, "dunkle Momente" auch der Glaubensleere und persönliche Schwächen zu kennen; outet sich (lachend) als gläubiger Mensch und bekennt, als 17-Jähriger eine Verlobte gehabt zu haben. So weit, so menschlich und so lebensnah. Papst Franziskus ist ein Heiliger Vater des Volkes.

In Kirchenfragen aber wird er zurückhaltender - vor allem bei dem heiklen Thema, ob man dem desaströsen Priestermangel hierzulande nicht durch Einführung eines Wahlzölibats entgegenwirken könne. "Der freiwillige Zölibat ist keine Lösung", sagt Papst Franziskus. Mit anderen Worten: Der Zölibat, also die Ehelosigkeit katholischer Priester, steht nicht zur Debatte. Dafür aber die Überlegung, ob nicht vielleicht die sogenannten Viri probati, - bewährte, das heißt im katholischem Sinne verheiratete Männer - auch geweiht werden könnten. "Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können."

Die Diskussion über eins der populärsten Streitthemen (neben dem Priesteramt für Frauen) ist somit eröffnet, genauer: wiedereröffnet. Denn über die Möglichkeit, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, denkt man in der Kirche seit Jahrzehnten nach - im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem dann bei der Weltbischofssynode zum priesterlichen Dienst 1971. Diese Debatten sind keine Revolution. Der Zölibat entspringt dem kirchlichen, nicht dem göttlichen Recht. Er sei "kein Gebot vom Herrn", heißt es beim Apostel Paulus.

Die Frage ist nach den Worten von Karl Kardinal Lehmann nie wirklich zur Ruhe gekommen. "Durch das Anwachsen des Priestermangels ist sie auch in vielen Teilen der Welt dringlicher geworden. Der Papst lässt jedenfalls ein Nachdenken zu. Das ist in dieser Deutlichkeit neu", sagte der emeritierte Mainzer Bischof. Und: "Der Papst legt sich also nicht fest. Er weiß auch, dass es in der Kirche und ähnlich auch in der Welt für solche Entscheidungen die rechte Zeit braucht, den Kairos." Nach Meinung Lehmanns sollte man jetzt "die differenzierte Meinung des Papstes nach keiner Seite hin manipulieren. Wir brauchen endlich nach Jahrzehnten eine ernsthafte, alle Gesichtspunkte einbeziehende, ehrliche, aber auch spirituelle Behandlung des Themas. Parolen haben auch bisher nichts genützt, aber die Sache ist ernst und in vielen Teilen der Welt dringlich."

Zu bedenken ist letztlich auch dies: Es steht für die Kirche einiges auf dem Spiel. Denn bei der Frage der Priesterweihe geht es um die Grundstruktur der Kirche. Auch deswegen rät Kardinal Lehmann zur Umsicht: "Eile mit Weile. Dies ist keine billige Vertröstung, aber man soll das Thema in seinem Gewicht für die Kirche in keinem Fall unterschätzen. Ich weiß schon, wovon ich rede." Auch für die katholischen Laien in Deutschland sind die Worte des Papstes "ermunternd". Denn wenn Franziskus betont, "es gibt Zeichen der Zeit, die man erkennen muss, dann horcht man natürlich auf", so Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Die generelle Frage nach dem Zölibat steht nach Sternbergs Einschätzung im Moment noch nicht zur Diskussion. "Wir müssen die Debatte um die Viri probati jetzt unbedingt führen, und dann wird man sehen, wie es weitergeht." Eine Prognose, die schon 1969 formuliert wurde, über die Zukunft einer Kirche, die kleiner sein wird und darum "gewisse neue Formen des Amtes" verlange, wie beispielsweise "bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern zu weihen". So formuliere es der junge Theologie-Professor Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI.

Die Frage nach dem Priesternachwuchs ist in besonderer Weise eine Frage nach der Glaubenspraxis. Denn wenn die Eucharistie "Quelle und Höhepunkt" des Glaubens ist, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formulierte, dann muss alles getan werden, das Abendmahl als Erlebnis von Gemeinschaft zu bewahren. Doch bei immer weniger Priestern - 2015 wurden in ganz Deutschland nur noch 58 Männer geweiht - und immer größer werdenden pastoralen Räumen wird es mit der Glaubenserfahrung schwierig.

Papst Franziskus öffnet in dem Interview aber auch Einblicke ins eigene Seelenleben. Mit dem Teufel ringt er, der ihm bisweilen das Leben schwer macht. Wie der aussieht? Keine Ahnung. Ein Engel vielleicht, sagt Papst Franziskus, dann aber "ein gefallener Engel". Und an diesen glaubt er. Ob Hitler auch ein Teufel sei - oder ein Mensch, der auf göttliche Vergebung hoffen darf? "Schon möglich", sagt Papst Franziskus, doch natürlich wisse er das nicht. Es dürfte auch eine Frage der Reue sein. So erzählt Franziskus klug vom biblischen Verräter Judas. Der hat nach seiner Tat auch nicht um Vergebung gebeten; aber es hat ihn zutiefst gereut.

Bei aller Spontaneität des Papstes: Auf einen Deutschland-Besuch in diesem Jahr des Reformationsjubiläums darf man nicht hoffen - trotz Einladung der Kanzlerin. Dann vielleicht 2018? "Ich weiß es noch nicht, noch ist nichts dergleichen geplant", so der Papst.

(los)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort