"Paris ist positive Nostalgie"

Woody Allen über seinen neuen Film "Midnight in Paris"

In Ihrem Film "Midnight in Paris", der morgen in die Kinos kommt, geht es um eine Zeitreise in die 20er Jahre. Was ist an der Ära so faszinierend?

Woody Allen Bei Paris denkt man als Amerikaner automatisch an die Belle Epoque. Ich war erst in den 60er Jahren das erste Mal dort. Ich kannte die Stadt also nur aus Filmen wie "Gigi" oder "Ein Amerikaner in Paris", darum war Paris für mich das linke Seine-Ufer, die Bohème, Künstler wie Ernest Hemingway und Picasso. Davon lebt der Mythos Paris: vom Gedanken an Menschen in vollen Bars, die Absinth schlürfen, von den wunderbaren Lichtern der Nacht, von dieser ganzen positiven Nostalgie!

Gibt es eine Ära, in die Sie gerne zurückreisen würden wie Ihre Hauptfigur Owen Wilson?

Allen Manchmal sehe ich etwas, was mich an meine Kindheit erinnert, dann denke ich daran, wie ich im Wohnzimmer Radio hörte, ein Sandwich kaute und ein Comicbuch las, und fange an zu schwärmen. Ich tapse auch ab und an in die Nostalgie-Falle, bremse mich aber sofort! Und dann kommt die echte Erinnerung durch, denn die Zeit damals war eigentlich ziemlich furchtbar.

Waren Sie schon als Kind Pessimist?

Allen Unbedingt! Schon damals hatte ich eine eher düstere Lebenseinstellung. Für mich ist unsere Existenz eine schmerzhafte, albtraumhafte und völlig sinnlose Erfahrung. Wir können unser Bestes geben, um glücklich zu leben und zu überleben, aber wir brauchen Glück dazu. Und zwar mehr, als wir glauben. Wir sind nicht unseres eigenen Glückes Schmied.

Sondern?

Allen Wir wissen doch alle, dass das Leben oft ein riesiger Kraftakt ist. Dabei ist alles okay, was funktioniert und andere nicht verletzt. Also kann eine Beziehung ruhig bizarr sein: Wenn's klappt, klappt es. Das gilt für alles, für den Beruf, die Hobbys, den Wohnort. Wenn es für jemanden funktioniert, auf einer einsamen Insel zu leben – wunderbar, alles okay! Dann muss es nicht diskutiert werden.

Was inspiriert Sie beim Schreiben?

Allen Ich bin selten inspiriert! Ich habe ja früher fürs Fernsehen geschrieben. Da kam ich montags ins Büro, und am Samstag lief die Sendung. Da schreibt man einfach, da wartet keiner auf die Muse. Seitdem kann ich das: Ich gehe in mein Schlafzimmer, setze mich, starre wie ein Zombie vor mich hin und schreibe einfach.

Ihr Hauptdarsteller Owen Wilson erinnert an den jungen Woody Allen . . .

Allen Völlig falsch! Owen Wilson ist das völlige Gegenteil von mir! Ich lebe in New York, er auf Hawaii. Owen ist der Inbegriff eines blonden Surf-Dudes, der für das Leben am Strand geboren ist – ich hasse Strand und Surfboards! Owen ist in Texas geboren und hört sich auch so an – er ist ein Cowboy!

Warum haben Sie ihn dann zum Helden auserkoren?

Allen Wir konnten niemanden finden wie mich. Als jemand Owen vorschlug, waren wir uns einig: Der passt gar nicht! Aber ich wollte immer mal mit ihm arbeiten. Also habe ich das Buch umgeschrieben.

Haben Ihre beiden Töchter, die heute zehn und zwölf sind, schon Filme von Ihnen gesehen?

Allen Keinen einzigen! Zuhause mache ich kleine Vorführungen von Klassikern wie Hitchcock oder John Houstons "Der Schatz der Sierra Madre". Ich will ihnen eine gute cineastische Erziehung mitgeben.

Aber dazu gehören doch Ihre Werke.

Allen Ach, es ist mir lieber, wenn die beiden mich kaum als Filmemacher wahrnehmen. Ich möchte, dass sie als ganz normale Kinder aufwachsen.

Mariam Schaghaghi führte das Interview. Bilder aus "Midnight in Paris" unter www.rp-online.de/kultur

(RP)
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