Oper von Peter Konwitschny Der moderne Eroberer bevorzugt Porsche

Salzburg · Peter Konwitschny erstmals in Salzburg: Der Regisseur erzählt Wolfgang Rihms spektakuläre Oper "Die Eroberung von Mexiko".

Peter Konwitschny: Bilder aus "Die Eroberung von Mexiko"
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Konwitschny inszeniert in Salzburg "Die Eroberung von Mexiko"

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Als der Eroberer Hernando Cortez im Jahre 1519 Mexiko erreichte, traf er keineswegs auf jenes unberührte Azteken-Reich, das die Legenden ihm und uns nahelegen wollten. Dort hatte zuvor jene Gewalt getobt, mit welcher der legendäre Montezuma sein Reich vergrößert hatte; nur ließ sich seine Gewalt hinter kultischen Ritualen und Zeremonien besser maskieren. Wer also in der Rückschau den präpotenten Landräuber Cortez geißeln will, darf nicht jenen Montezuma außer Acht lassen, der selbst ein Täter war, bevor er den Kolonialisten zum Opfer fiel.

Solcher politischen Debatte hat Wolfgang Rihm sein 1992 uraufgeführtes Musiktheater-Werk wohlweislich entzogen, als er das Programm zur "Eroberung von Mexiko" an den gleichnamigen Text von Antonin Artaud anlehnte. Jeglichen Realismus der beiden schillernden Helden Cortez und Montezuma nahm Rihm zurück; er wagte kein historisches Spektakel, sondern ein Sphärenspiel über Macht, Ohnmacht, Verführung, Tod. Handlung bleibt in der Schwebe, den Text beherrschen Flimmerfragmente wie "Schatten, Meteore, Blitz, Horizont, Spiegelungen".

Cortez ist ein maskuliner Bariton

Um jene Figuren der Kolonialgeschichte raffiniert zu spiegeln und gleichsam zu verdunkeln, wies Rihm ihnen teilweise unerwartete stimmliche Eigenschaften zu: Cortez ist ein maskuliner Bariton, Montezuma jedoch ein girrender Sopran.

Die Gewissheit, dass sich die große weite Welt im Kleinen einer Mann-Frau-Story spiegelt, hat bei den Salzburger Festspielen der Regisseur Peter Konwitschny zur Anwendung gebracht. Mit seinem Bühnenbildner Johannes Leiacker installiert er eine neu- und zugleich endzeitliche Szene. Über den Kadavern eines Autofriedhofs erhebt sich das Wohnzimmer von Frau Montezuma, die an der Farbe Weiß Gefallen findet; das Sofa ist aus Leder, Lateinamerika grüßt in Form einer Flasche Tequila und eines Gemäldes von Frida Kahlo; das Bücherregal ist allerdings nicht optimal verschraubt.

Nicht der Kuss der alten Welt

Dann kommt der fremde Galan, Herr Cortez, ein linkischer Rosenkavalier, der zur Begrüßung herumdruckst, das Regal umwirft und Montezuma wenig später einen verheerend folgenreichen Kuss aufzwingt. Dies ist bei Konwitschny nicht der Kuss der alten Welt, sondern der Beginn einer emotionalen Unterwerfung.

Der treffliche Ingo Metzmacher, der schon die Uraufführung dirigierte, hat das famose ORF-Orchester über die Felsenreitschule verteilt. Tönende Giftpfeile, Sirenenklänge, Geheul, Schlagzeugwirbel und das süße Wehen der Musik Rihms treiben uns Hörer in den Dschungel einer archaischen Situation. Cortez und Montezuma singen wie mit gespaltener Zunge. Ihr Gestammel wird glücklicherweise mit Übertiteln an die Wand projiziert. Dagegen erhebt sich von allen Seiten eine von Rihms wichtigsten Botschaften im Stück: Wer den Rhythmus hat, der hat auch die Macht.

Eine grandiose Inszenierung

Daran hält sich Konwitschny in seiner grandiosen Inszenierung. Die Bilder werden immer wilder, ein Bewegungschor aggressiver Männer kapert die Bühne wie einen ahnungslosen Ausflugsdampfer; Cortez fährt alsbald mit einem Porsche-Cabrio vor. Erfrischend und heiter geht's weiter: Die schwangere Frau Montezuma (grandios beweglich an Körper und Stimme: Angela Denoke) gebiert unterm Hebammentuch zahlreiche Apple-Produkte, deren digitale Möglichkeiten zum Vergnügen des Publikums über die Wand flimmern; in Computerspielen wird fleißig geballert.

Irgendwann sitzt Cortez (wunderbar differenziert: Bo Skovhus) nur noch wie ein Sklave über seinem Notebook und registriert nicht, dass Frau Montezuma soeben neben ihm gestorben ist. Bei Konwitschny ist die Tote eine Schaufensterpuppe im Brautkleid. Und das Ende begibt sich als trauriges Duett über jene "unerschöpfliche Liebe, der Tod entströmt". Weltgeschichte und Schlafzimmer - überall herrschen, so lehrt uns Konwitschny, ähnliche Regeln. Donnernde Zustimmung des Publikums.

(w.g.)
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