Münster Picasso – von Arles nach Münster

Münster · Das Réattu-Museum im französischen Arles muss renovieren und deshalb seine kostbare Picasso-Kollektion auslagern – das Picasso-Museum Münster hat zugegriffen und zeigt jetzt späte Meisterwerke des spanischen Künstlers. Er malte die 57 Werke wie in einem Schaffensrausch innerhalb weniger Wochen.

Pablo Picasso war auch in seiner späten Phase voller Schaffensdrang: An nur einem einzigen Tag im Jahr 1971 malte er acht Darstellungen von Harlekins, lebhaft in Szene gesetzt und farbenfroh koloriert. Die Serie ist jetzt im Picasso-Museum in Münster zusammen mit weiteren Kreide- und Tuschezeichnungen zu sehen, die der spanische Künstler an nur 36 Tagen zwischen dem 31. Dezember 1970 und dem 4. Februar 1971 geschaffen hat. Die 57 Werke aus der Sammlung des Musée Réattu der Stadt Arles, zuletzt Wahlheimat Picassos, gastieren damit erstmals außerhalb Südfrankreichs.

In Münster wird die Werkfolge bis 28. April unter dem Titel "Die Picassos aus Arles – Tagebuch eines Malers" präsentiert. "In den Zeichnungen lässt sich lesen wie in einem Tagebuch: Es sind kurze Notizen, eine szenische Ideenküche im kleinen Format, die die gesamte Themenpalette Picassos zeigt", erklärt der Leiter des Kunstmuseums Pablo Picasso, Markus Müller, den Titel. Picasso (1881–1973) habe die Werke mit Motiven von Harlekinen, Musketieren und barocken Figuren dem Musée Réattu noch im Jahr 1971, zwei Jahre vor seinem Tod, geschenkt.

Da das Museum in Arles zurzeit für eine andere Ausstellung renoviert wird, musste die dortige Direktorin Michèle Moutashar Platz schaffen. "Ein Glücksfall für uns", freut sich Müller über die seltene Gelegenheit. In Münster ist damit schon die zweite von drei Schenkungen, die Picasso noch zu Lebzeiten getätigt hat, zu sehen.

In Picassos späten Zeichnungen stecken viele Anklänge an andere Künstler wie Rembrandt oder El Greco. Ein Werk trägt auf der Rückseite die Notiz: "Ein bisschen Matisse". Dem niederländischen Maler Vincent van Gogh habe Picasso während der 36-tägigen Schaffenszeit gleich einen ganzen Tag gewidmet, erzählt Museumsdirektor Müller. Auch die Liebe des Spaniers zu Arles sei wohl dessen Faszination für van Gogh zuzuschreiben, der Ende des 19. Jahrhunderts selbst in der südfranzösischen Stadt lebte. Dort trug es sich auch zu, dass sich van Gogh 1888 nach einem heftigen Streit mit Gauguin einen Teil seines rechten Ohres abschnitt.

"Picasso hatte den damaligen Leiter des Musée Réattu gebeten, ihm alle Artikel über van Goghs abgeschnittenes Ohr zu besorgen", erzählt Müller weiter. Die Zeitungsausschnitte hätten bis zum Tod des Künstlers in dessen Schublade gelegen. So sei es wenig verwunderlich, dass auf den Zeichnungen plötzlich ein älterer Mann mit Strohhut auftauche, ähnlich den Selbstbildnissen des bekannten Niederländers.

Die Münsteraner Sonderschau sei aber keine Ansammlung weiterer "kleiner" Picassos, sondern ein Blick in die Gedankenwelt des Spaniers, in seine künstlerischen und thematischen Vorlieben, erklärte Müller das Konzept. In den Zeichnungen vertiefe sich Picasso niemals komplett in den Stil des zitierten Künstlers. Die Anleihen flössen lediglich in den stets erkennbaren, dominierenden Stil des berühmten Andalusiers ein.

Ergänzt werden die Bilder durch Aufnahmen von sieben Fotografen, die den Picasso in Arles bei seiner Arbeit zeigen, wie er mit Zigarette im Mundwinkel, starrem, leicht kindlichem Blick den Pinsel über die Leinwand streichen lässt. Auf einem Foto vom Dezember 1953 bietet Picasso eine Zigarette Jacqueline Roque, seiner späteren zweiten Ehefrau, an.

Es ist die erste fotografisch dokumentierte Begegnung zwischen den beiden. Passend zu den Harlekin-Motiven prangt zudem Picasso mit Clownsmaske in Überlebensgröße an einer Wand des münsterschen Museums.

(EPD)
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