Bonn Pina Bausch wird museumsreif

Bonn · Ist das Tanztheater Wuppertal schon museumsreif? Kann man das Werk von Pina Bausch in einer Ausstellung zeigen? "Nein", sagt Salomon Bausch, Sohn der Wuppertaler Choreografin und Vorstandsvorsitzender der Pina Bausch Foundation. Das Werk findet auf der Bühne statt, auch über 40 Jahre nach der Gründung der Compagnie in Wuppertal. Deshalb nähert sich nun eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn dem, was vor der Aufführung kommt: dem Entstehungsprozess, der bei Pina Bausch ein besonderer war. Sie erarbeitete ihre Themen, in dem sie ihren Tänzern hunderte Fragen stellte und aus den Antworten, seien sie getanzt, gespielt oder gesungen, collagenhafte Stücke zusammensetzte.

Entstanden sind die Werke seit den frühen 1980er Jahren in der "Lichtburg", einem ehemaligen Kino im Zentrum von Wuppertal-Barmen. Ein Nachbau der berühmten Probenbühne bildet das Zentrum der Schau in Bonn. Die Kuratoren, Salomon Bausch, Miriam Leysner und ReonWolfs, haben mit viel Mühe den 50er-Jahre-Bau kopiert, mit der petrolfarbenen Wandbespannung, den Spiegeln und den mobilen Ballettstangen. Selbst Kostüme hängen an Bügeln ums Halbrund. Wirklich lebendig wird der Raum durch die Tänzer, die dort im Laufe der Ausstellung Workshops abhalten, Lectures geben oder die Besucher animieren, einzelne Tanzschritte zu probieren aus einer der berühmten getanzten Reihen - etwa aus dem Stück "Nelken".

Um dieses Zentrum herum gruppieren sich, sortiert nach Themengebieten, unzählige Fotos, Videos und Dokumente. Es geht um Pina Bausch als Tänzerin an der Folkwang Hochschule oder an der Juilliard School in New York, um ihre Arbeitsweise, die Bühnenbilder, die Koproduktionen, das Ensemble und die Stücke. Bei der Fülle der Themen entsteht zwangsläufig eine gewisse Oberflächlichkeit, denn jeder Abschnitt hätte weitaus mehr Platz verdient.

Viele Fotos hat man schon mal gesehen, aber es gibt auch Entdeckungen. Etwa bei einem Teil der Ausstellung, der sich Pina Bauschs Stück "Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloss, die anderen folgen" von 1978 nähert. Fotos dokumentieren den Probenprozess, zeigen die Bühne als ein Chaos aus Sitzmöbeln und Wasserpfützen. Die Premiere dieser freien "Macbeth"-Fassung am Bochumer Schauspielhaus wäre fast im Eklat geendet, so erbost waren manche der Zuschauer. Ein auf Tischen und Stühlen ausliegender Pressespiegel dokumentiert nachdrücklich den extrem schwierigen Anfang von Pina Bausch als Choreografin, die in ihrer radikalen Bildersprache damals viele verstörte.

Zu diesem Stück liegen auch Regiebücher in Vitrinen. Dort kann man lesen, welche Aufgaben Pina Bausch ihren Tänzern gab, etwa "Flusen vom Pullover zupfen" oder "Kinder spielen Krimi", alles akribisch notiert in der fast kindlichen Schrift der Choreografin.

Faszinierend sind die Videos, die im hinteren Raum auf sechs großen Leinwänden laufen: Dort entfalten sich 40 Jahre Tanztheater, gebündelt in einem Moment. Ein und dieselbe Szene etwa aus dem Stück "Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört" sieht man, getanzt von unterschiedlichen Tänzern in verschiedenen Jahrzehnten des Tanztheaters. Ein Tänzer gibt die Rolle an den nächsten weiter. Jeder wird Teil des Ganzen und behält doch seine Individualität. Denn Pina Bausch liebte ihre Tänzer und wollte, dass das Publikum jeden auch als Menschen wahrnimmt.

Info bis 24. Juli; www.bundeskunsthalle.de; Ort: Museumsmeile Bonn Friedrich-Ebert-Allee 4

(RP)
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