Rassismus als Geschäftsprinzip

Ein südafrikanischer Philosoph und Sorbonne-Absolvent schreibt über "den Neger" und seine Entstehungsgeschichte

Rassismus und Kapitalismus sind für Achille Mbembe wie zwei böse Brüder. Ohne den "Neger" kein globaler Handel, erklärt der in Südafrika lehrende Philosoph in seinem außerordentlich lesenswerten Buch "Kritik der schwarzen Vernunft".

In einer brillanten und oft poetischen Sprache schildert der Autor die Entstehungsgeschichte des "Negers" und die unsäglichen Folgen. Kühl und distanziert beschreibt er, wie der Rassenwahn zur Geschäftsgrundlage des ersten transatlantischen Handels wurde und so die ideologischen und materiellen Grundlagen für das heutige liberale Wirtschaftssystem geschaffen wurden.

Doch das Buch ist viel mehr als eine Geschichte der Ökonomie. Es geht um die Menschlichkeit und - leider viel zu oft - Unmenschlichkeit. Brutal formuliert: das Vorenthalten des Menschseins. Gerade das macht einen als Leser sprachlos, wie die willkürliche Ideologie des Rassismus "menschliche Ware, menschliches Metall, menschliches Geld" schuf. Eigens dafür, so argumentiert der 57-jährige Historiker Achille Mbembe wurde der Neger erfunden.

Und ganz bewusst schreibt er das rassistische Schimpfwort ohne Anführungszeichen. Damit will er die perfide Selbstverständlichkeit aufzeigen, mit der es über viele Jahrhunderte so selbstverständlich wie diffamierend verwendet wurde.

Für seine gründliche Analyse des europäischen Kolonialismus steigt Achille Mbembe tief in das Denken der vor allem französischen Philosophen ein: Jacques Lacan und Michel Foucault spielen hier eine große Rolle. Ganz bedeutend sieht er aber Frantz Fanon und sein Werk "Schwarze Haut, weiße Masken". (Leider fehlt ein Namens- und Literaturverzeichnis am Ende des Buches, das die vielen zitierten Quellen leichter auffindbar machen würde.)

So radikal Achille Mbembe im Denken ist, so versöhnlich ist er in seiner Schlussfolgerung. Er will keine "schwarze Identität", denn so würde nur ein Rassismus durch den anderen ersetzt. Schlimme Beispiele gibt es da für ihn bei afrikanischen Despoten und ideologischen Fanatikern genug.

So ganz nebenbei erklärt der aus Kamerun stammende Absolvent der Pariser Universitäts Sorbonne auch, warum der deutsche Diktator und Jahrhundert-Verbrecher Adolf Hitler (1889-1945) für Engländer, Franzosen und alle anderen "weißen" Völker der schlimmste aller Verbrecher ist. Denn Adolf Hitler habe Europa wie eine Kolonie behandelt - und damit eine bisher geltende stille Übereinkunft zwischen den europäischen Kolonialmächten gebrochen. Philosoph und Autor Achille Mbembe blickt so in die Vergangenheit und zeigt auf die Gegenwart. Rassismus und Kapitalismus wirkten immer noch zusammen. Denn auch heute baue Europa wieder Mauern, gegen "die aus Afrika" und gegen alle, die nichts haben. Die somit also auch zu "Negern" gemacht werden, wie Mbembe resümiert.

Es hat sich also aus der Sicht des Verfassers nicht viel verändert in der Wahrnehmung des Fremden. Achille Mbembe ist traurig und hoffnungsvoll zugleich. Er drückt es so aus: "Denn tatsächlich gibt es nur eine Welt. Sie ist ein Ganzes, das aus zahllosen Teilen besteht. Aus aller Welt. Aus allen Welten", schreibt der politische Philosoph.

Die Lösung sieht der Autor in "Reparation". Im wahrsten Sinne des Wortes: "Ihnen den geraubten Teil an Menschlichkeit zurückerstatten." Dahinter verbirgt sich ein Weckruf und außerdem ein Wunsch. Die aktuelle Flüchtlings-Wirklichkeit auf der italienischen Insel Lampedusa vor Sizilien und am Zaun von Melilla sieht anders aus.

Achille Mbembes Buch erscheint deshalb nötiger denn je zu sein.

(RP)
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