Kleve Regierung feuert Beuys-Stifter in Moyland

Kleve · Das Innenministerium erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorstandschef der Stiftung, Gerhard van der Grinten.

Niederländisches Königspaar auf Schloss Moyland
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Foto: dpa, fg cul

Der seit Jahrzehnten schwelende Streit zwischen dem Land NRW und der "Stiftung Museum Schloss Moyland" ist eskaliert. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat dem Vorstandssprecher der Stiftung, Gerhard van der Grinten, unter massiven Vorwürfen und im Eilverfahren die weitere Wahrnehmung der Funktion verboten.

In einem vertraulichen Schreiben vom 21. August, das unserer Redaktion jetzt zugespielt wurde, schreibt die zuständige Ministerialrätin des NRW-Innenministeriums an die Stiftung: "Aufgrund mehrerer grober Pflichtverletzungen des Sprechers des Vorstands der Stiftung Museum Schloss Moyland, Herrn Gerhard van der Grinten, treffe ich die folgende Anordnung: Gemäß Stiftungsgesetz NRW untersage ich Herrn Gerhard van der Grinten mit sofortiger Wirkung einstweilen die Wahrnehmung seiner Geschäfte." Der will sich gerichtlich dagegen wehren und erhebt seinerseits massive Vorwürfe gegen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Kraft steht dem Kuratorium der Stiftung vor. Der Vorstand hat noch keinen neuen Sprecher ernannt.

Die "Stiftung Museum Schloss Moyland" beherbergt in einem Schloss bei Kleve die weltweit bedeutendste Werk-Sammlung des Düsseldorfer Künstlers Joseph Beuys (1921 - 1986). Sie wurde 1990 vom Land NRW, der Familie van der Grinten und der Familie von Steengracht gegründet. Der Onkel und der Vater van der Grintens haben rund 6000 Beuys-Werke im gutachterlich geschätzten Wert von 1,3 Milliarden Euro und damit über 90 Prozent des materiellen Stiftungsvermögens eingebracht. Seither gab es immer wieder Querelen zwischen dem Land und der Stifterfamilie - unter anderem darüber, welche Werke genau der Stiftungsbesitz umfasst. Gerhard van der Grinten führt den Vorstand seit Oktober 2013 und sagt: "Die eingereichte Klage gegen meine Abberufung als Sprecher des Vorstandes entspricht dem Willen der Stifterfamilie."

Seinen Rauswurf begründet das Innenministerium mit angeblichen Kompetenzüberschreitungen. Zum Beispiel soll van der Grinten die Autorität von Hannelore Kraft untergraben haben. Dem Ministerialschreiben zufolge "hat Herr van der Grinten wiederholt versucht, die Kompetenz der Vorsitzenden des Kuratoriums zu untergraben und die Aufgabenwahrnehmung der Vorsitzenden (...) im Rahmen von Einladungen und Festlegungen zu Tagesordnungen zu Kuratoriumssitzungen zu ignorieren. Damit hat er versucht, das Organ Kuratorium unangemessen zu beeinflussen." Bei einer Vorstandssitzung, an der außer ihm kein anderer teilnahm, habe er "sich selbst als Sprecher gewählt" und darüber das Kuratorium nicht informiert. Außerdem habe er "ohne Abstimmung mit den beiden anderen Vorstandsmitgliedern" und damit "völlig außerhalb seiner Kompetenz" E-Mails aus dem gelöschten Account der Museumsdirektorin verwertet und diese abgemahnt. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und den anderen Vorstandsmitgliedern sei "insgesamt untragbar geworden".

Van der Grinten stellt die Situation anders dar: "Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, Herrn Jürgen Rüttgers, hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft an keiner einzigen Kuratoriumssitzung teilgenommen", sagte der hauptberufliche Lehrer und Künstler gegenüber unserer Zeitung. Kein einziges Mal habe die Kuratoriumsvorsitzende das Gespräch mit ihm gesucht oder auf seine Schreiben geantwortet. Van der Grinten: "Frau Kraft hat ihre Amtsgeschäfte als Kuratoriumsvorsitzende nicht wahrgenommen."

Was das Innenministerium ihm als Kompetenzüberschreitung auslegt, versteht er als notwendiges Handeln in einer Zwangslage. Die Klageschrift, mit der er im Schulterschluss mit zwei weiteren Familienmitgliedern gegen die Amtsenthebung vorgehen will, listet seine zahlreichen erfolglosen Versuche auf, Vorstandssitzungen zu drängenden Entscheidungen zu organisieren. Etwa, als es im Mai um die turnusgemäße Neuwahl des Vorstandssprechers ging. Da ein Termin mit den übrigen Vorstandsmitgliedern laut Klageschrift nicht möglich war, blieb van der Grinten im Amt. Handlungsbedarf gegenüber der Museumsdirektorin sah er, als diese auf dem Schloss mehrfach vor Publikum Filme zeigte - angeblich ohne die dafür notwendigen Urheberrechte geklärt zu haben. "Was zu Beschwerden führte", berichtet van der Grinten, "es war meine Pflicht als Vorstand, auf eine Klärung zu drängen". Auch in dieser Angelegenheit sei die rechtzeitige Abstimmung mit den Stiftungsgremien nicht möglich gewesen.

Kenntnis von den aus seiner Sicht bedenklichen Filmvorführungen habe er erlangt, "weil mir von dritter Seite E-Mails zugespielt wurden, die offenbar aus dem ,Gelöscht-Postfach' der Direktorin stammten. Ich habe mir diese Mails nicht selbst verschafft." Diese Mails hätten aber die Vorführungen belegt. Deshalb habe er reagieren müssen. Die Landesregierung will dazu vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtsstreits keine Auskunft erteilen. Dem Vorwurf, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihre Funktion bei der Stiftung nicht wahrgenommen habe, begegnet die Regierung auf Anfrage so: "Wie ihre Amtsvorgänger auch wird Frau Ministerpräsidentin satzungsgemäß generell durch ihre Fachminister - in diesem Fall Kulturministerin Ute Schäfer - vertreten." Die Stiftungsaufsicht des Landes handele unabhängig von möglichen Auseinandersetzungen innerhalb der Stiftung.

Teile der Opposition im Landtag sind mit dem Vorgehen der Landesregierung nicht einverstanden. "Der Umgang mit privaten Stiftern ist respektlos sowie rechtlich und politisch fragwürdig", sagt FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel. Damit "bremst das Land die Motivation respektabler Bürger, sich stärker gesellschaftlich zu engagieren". Angesichts der knappen Landeskasse könne das Land sich "diesen befremdlichen Umgang nicht leisten", die Ministerpräsidentin müsse "endlich ihre Verantwortlichkeiten im Stiftungsorgan pflichtbewusst wahrnehmen".

(RP)
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