Brüssel René Magritte - ein Maler und eine Marke

Brüssel · Belgien erinnert an den 50. Todestag des Surrealisten, der fast ein Nationalheld ist. Höhepunkt ist eine Ausstellung im Brüsseler Nationalmuseum.

Belgien hat an seinen großen Maler vielerorts erinnert in diesem ablaufenden Magritte-Jahr. Höhepunkt der Ausstellungen ist die Schau "Magritte, Broodthaers & die zeitgenössische Kunst" in Brüssel. Sie zeigt, wie einflussreich der Surrealist (1898 - 1967 ) bis heute ist. Sie dampft und strahlt, verfügt über vier Beine und einen kurzen Schwanz. Diese Pfeife lebt. Und trotzdem lässt die Unterschrift "This is not a pipe" keinen Zweifel daran, dass es sich lediglich um eine Hommage an eine Idee handelt, den Magritte-Klassiker schlechthin. "Der Verrat der Bilder" bescheinigte einem Pfeifen-Porträt: "Dies ist keine Pfeife". Schließlich handelte es sich nur um ein Stück bemalte Leinwand, ein Abbild.

Keith Haring malte sein Zitat 1989. Da war René Magritte bereits 22 Jahre tot und doch noch eine Marke, die in den Werken der Jüngeren nachhallte. Der US-Konzeptkünstler Joseph Kosuth tauschte die Pfeife 1965 durch eine leibhaftige Heizung aus. Über ihr platzierte er an der Wand ihr Abbild und die Definition des Begriffs in einem Wörterbuch. Am meisten profitierte aber der wahlverwandte Marcel Broodthaers. Allein 50 der 150 versammelten Gemälde, Skulpturen, Fotos, Zeichnungen und Archiv-Dokumente gehen in der Brüsseler Ausstellung auf sein Konto.

Die Vater-Sohn-Beziehung begann 1964. Broodthaers war gerade dabei, sich vom erfolglosen Dichter zum bildenden Künstler zu wandeln. Eines seiner ersten Werke war ein in tiefes Rot getauchter Notenständer aus Holz. Ein Heer von festhaftenden Miesmuscheln schien sich seiner bemächtigt zu haben. Die Poesie hinter der Skulptur, die Musik hätte die Muscheln magisch angezogen, kam bei Magritte gut an. Endlich ein Künstler, der seinen surrealistischen Ansprüchen genügte.

Nicht nur, dass sich der 26 Jahre jüngere Landsmann neben seinem Vorbild bei der Melonenübergabe ablichten und zum offiziellen Nachfolger küren ließ. Er teilte ebenfalls das Faible für Pfeifen. Auch das mit der Illusion spielende Spiegelmotiv eines weiteren Klassikers griff Broodthaers auf. Auf "Reproduktion verboten" von 1937 stellte Magritte einen mit dem Rücken zum Betrachter stehenden realen Kunstsammler, Edward James, ins Zentrum. Der Engländer schaut sich im Spiegel an und erblickt dort seine eigene Hinterseite. Voilà der Abgrund unserer zweifelnden Seele!

Broodthaers reagierte auf diese traumhafte Täuschung mit einer weißen Leinwand, die mit seinen Initialen übersät war. Am Bildrand platzierte er den Hinweis "Miroir" (Spiegel). Die amerikanische Konzeptkünstlerin Barbara Kruger arbeitet unter Einsatz großflächiger Schriftzüge ebenfalls mit Bildern und Worten. Auf ihrem großformatigen Beitrag sieht man sich mit dem Porträt einer Frau konfrontiert, die sich an ihrem Auge zu schaffen macht. Darüber steht der von Magritte inspirierte Kommentar: "We are not what we seem".

Nach diesem Prinzip der Analogiefindung funktioniert der ganze Ausstellungs-Parcours. Da wären die Pop-Art-Künstler, von denen Magritte eigentlich nicht viel hielt. Parallelen findet man dennoch reichlich. Andy Warhol ahmt die Ästhetik von Sonderangebot-Plakaten nach. Robert Rauschenberg eignet sich die Collagetechnik von "Ready-Made Bouquet" an, jenem Bild, das Botticellis Flora mitten im Wald auf den Rücken eines Melonenträgers montiert. Rauschenberg entscheidet sich für den Kosmos von Bellini und erschafft eine eigene, wild durch die Zeiten assoziierende Erzählung. Claes Oldenburg könnte zu guter Letzt seine Vorliebe für überdimensionale Alltagsgegenstände ebenfalls beim späteren Magritte entdeckt haben, der Haarkämme und Weingläser in Zimmer mit Wolkenmustern einziehen ließ.

Andere haben sich von brennenden Posaunen anregen lassen. Arman baute das Gemälde "Die Entdeckung des Feuers" von 1936 zur Skulptur aus realem Blasinstrument und Feuerlöscher um. Leo Copers setzte auf dem Video "Das Begräbnis von René Magritte" ein Zimmer in Brand, darunter Stühle und eine Posaune. Der amerikanische Exzentriker James Lee Byars bastelte sich in Anlehnung an Magrittes leere Schuhe seine persönlichen "Intellectual Murderer Shoes".

Selbst die kurze Kuh-Phase von 1948, "La Période vache", fand bei Kollegen Anklang. Der Überdisziplinierte ließ damals alle Vorsicht fahren. Die Motive und Ausführungen könnten grotesker nicht ausfallen. "Vacherie" nennt man im Französischen auch eine Gemeinheit. Keine zufällige Wortwahl dürfte das sein, denn Magritte reagierte mit der kalkulierten Entgleisung auf den Surrealisten-Diktator André Breton, der ihn ein Jahr zuvor bei einer großen Ausstellung der Bewegung in Paris einfach übergangen hatte.

INFO Königliche Museen für Schöne Künste in Brüssel, Rue de la Regence 3. Die Ausstellung "Magritte, Broodthaers & die zeitgenössische Kunst" läuft noch bis zum 18. Februar 2018. Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 10-17 Uhr, Sa.-So. 11-18 Uhr. Infos www.fine-arts-museum.be

(RP)
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