Interview: Claus Gielisch "Restauratoren können die meisten zerstörten Objekte retten"

Düsseldorf · Ein Schlüsselwerk von Heinz Mack, das rund 30 Jahre im Aachener Spielcasino hing, wurde von der Betreibergesellschaft des Casinos "entsorgt". Zu der nicht plausibel klingenden Begründung, die die Westspiel dazu hat verlauten lassen, haben wir den renommierten vereidigten Kunstsachverständigen Claus Gielisch aus Düsseldorf um eine Stellungnahme gebeten.

Herr Gielisch, die Westspiel hat 2003 eine Lichtinstallation von Heinz Mack im Aachener Spielcasino aus der Sammlung entfernt, abmontiert und schließlich auf den Müll geworfen. Die Begründung lautet: ,Eine Schadensbehebung bei Kunstwerken ist in der Regel nicht möglich, da dies eine Modifikation des Kunstwerks bedeuten würde. Das Werk entspricht in einem solchen Fall nicht mehr dem ursprünglichen Kunstverständnis'. Können Sie dieses Argument nachvollziehen?

Gielisch Nein, das Gegenteil ist richtig. In den allermeisten Fällen ist eine Restaurierung von Kunstgegenständen möglich, kunsthistorisch vertretbar und oft wirtschaftlich sinnvoll. Das ist gängige Praxis. Gerade auch Werke von Heinz Mack sind immer wieder in Schadensfällen restauriert oder mit seiner Hilfe wiederhergestellt worden, um die Objekte für die Eigentümer und die Allgemeinheit zu erhalten.

Die Westspiel behauptet weiter: ,Die Lichtskulptur von Mack, die integraler und funktionaler Bestandteil des Gebäudes der Spielbank war, wurde im Jahr 2003 abmontiert, da die zu diesem Zeitpunkt rund 30 Jahre alte Technik der Lichtskulptur (unter anderem die Lichtsteuerung sowie diverse Leuchtkörper) nicht mehr reparabel war. Auch hier wäre eine Veränderung des Werkes nicht möglich gewesen." Ist es tatsächlich nicht anders, nämlich so, dass Restauratoren heutzutage fast alles wieder hinbekommen, was zerstört worden ist? Selbst eine kostbare Vase, die in hundert Teile zersprungen ist?

Gielisch Restauratoren können heute - rein technisch gesehen - die allermeisten beschädigten oder gar zerstörten Objekte wieder instandsetzen und retten. Sie sind dann allerdings oft im Wert gemindert. Je umfangreicher die Restaurierung, desto eher kann man aber auch an ethische und juristische Grenzen stoßen.

Kunstbesitz ist auch eine Verpflichtung. Der Erhalt von Kunst in Sammlungen und im öffentlichen Raum muss von Fachleuten gewährleistet werden. Das kostet viel Geld. An der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität hängen in Räumen mit Publikumsverkehr die vier kostbaren, von Ihnen auf mindestens 100 Millionen Euro geschätzten Roy-Lichtenstein-Wandarbeiten. Wie steht es um deren Sicherheit?

Gielisch Die vier Wandgemälde von Roy Lichtenstein sind leider in einem erbärmlichen Zustand in Folge von mechanischen Beschädigungen. Die meisten Studenten und Professoren ahnen nicht, dass es echte und unendlich wertvolle Kunst ist. Partys und Empfänge haben Spuren, Abschürfungen hinterlassen, die ein privater Eigentümer verhindert hätte und vielleicht mit der Zeit hätte restaurieren lassen.

Und was ist für den Erhalt zu tun?

Gielisch Die Bilder müssen restauriert werden. Das kostet 50 000 bis 80 000 Euro. Danach muss die Kunst als solche gekennzeichnet werden, um das Umfeld dafür zu sensibilisieren, dass hier (teure) Kunst hängt. Welche dezenten Vorrichtungen zum Abstandhalten zu installieren sind, könnten die Kunsthistoriker der Uni erarbeiten.

(RP)
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