Nach dem Tod von Robin Williams Abgründe eines Clowns

Düsseldorf · Auch der Fall Robin Williams zeigt: Spaßmacher und Possenreißer leiden nicht selten unter Depressionen. Der Zwang zur Heiterkeit kann wie ein Alpdruck wirken.

Robin Williams - Abgründe eines Clowns
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Seit Wochen geistert der baldige Tod eines Clowns durchs Internet. Der Mann hat lichtes Haar, raucht Kette, leidet an Suchtproblemen und Großspurigkeit, neigt zum Zynismus und trägt einen Herzschrittmacher. Bart Simpson verehrt ihn, aber das soll offenbar nicht auf ewig so weitergehen; auch Comic-Serien brauchen Verjüngung durch Todesfälle. Deshalb soll Krusty, der legendäre Clown aus den "Simpsons", bald ins Gras beißen.

Krusty ist kein Clown, der einem gefällt. Aber typisch ist er trotzdem. Dem handelsüblichen Clown von heute zieht man die Maske vom Kopf, um seine Seele zu entdecken und traurigstenfalls in ein Gesicht voller Tränen zu blicken; er zählt jedenfalls zu den großen Therapiebedürftigen der Moderne. Er muss, so glaubt mancher, immer lustig sein, obwohl ihm nicht danach ist. Alles Frohe ist immer unecht, obwohl es echt aussieht. Sein Spielen ist kein Medikament mehr, sondern Folter, denn der Clown hat eine schreckliche Kindheit hinter sich und muss trotzdem lebenslang auf Kommando Faxen machen. Er trägt Kostüme und, schlimmer noch, Charaktere vor sich her, die ihm zur klebrigen Haut geworden sind. Alle wollen seine öden Witze erleben, um ihn dann auszulachen - Tag für Tag, Abend für Abend. Er leidet selbst unter diesen Fesseln, diesen Schablonen. Deshalb geht er Woche um Woche zum Psychiater, um sich in seine ramponierte Seele blicken zu lassen. Und gibt weiter den Clown, weil er nichts anderes gelernt hat.

Es könnte sein, dass dieses verzerrte Bild vom Spaßmacher mit Abgrund ein Klischee ist, das alle Possenreißer unter psychiatrischen Generalverdacht stellt. Wahrscheinlich gibt es nicht mehr depressive Schauspieler als depressive Busfahrer, aber uns fallen nur die Schauspieler und Komiker ein. Sie sind in aller Munde. Und wir denken an sie, weil es unmöglich ist, bei einer Google-Abfrage eines Namens mit dem Stichwort "Depression" nicht fündig zu werden.

Und wenn es doch so ist? Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einem Beruf, bei dem der äußere Zwang zur Fröhlichkeit ein Einstellungskriterium ist, und der inneren Zerrissenheit, Verlorenheit, dem Drang zum Traurigen? Dann wäre der soeben durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene, offenbar stark depressive Robin Williams ein neuerlicher Protoyp der vielen Komiker, die jenseits des Grinsens mit Sorgen im Privaten zu tun haben, die weit verstreut auf der Skala zwischen Melancholie und Selbstzerstörung liegen. Eine Depression, die zu den schweren Leiden zählt, wäre so fast eine Berufskrankheit.

In der Tat fallen einem auf Anhieb etliche Vergleichshelden ein, etwa Jim Carrey oder Charlie Sheen, die mit ihrer Seelenpein unterschiedlich umgehen: Carrie vergräbt sich mehr und mehr, Sheen (48) übt sich in Größenwahn und gedenkt eine 24 Jahre jüngere Pornodarstellerin zu ehelichen. Es könnte die ulkigste Hochzeit der Welt werden. Wenn sie zustande kommt. Übrigens ist die Depression nicht dem Manne vorbehalten, sie schlägt nicht sexistisch zu; auch Gwyneth Paltrow, Catherine Zeta-Jones oder Kirsten Dunst leiden oder litten unter der Krankheit. Dass sie sich zu dem Leiden bekannten, kann ein Marketing-Trick gewesen sein, weil es eh schon alle wussten. Oder es war ein Outing als der erste Schritt zum Kampf.

Vielleicht beherrscht nur ein Trauriger, der von Tränen umflort, von Klößen im Hals geplagt und von Schwärze bedeckt wird, die beinahe professionelle Kunst, dies alles nicht nach außen zu lassen, sondern ins Gegenteil zu verwandeln - in die Clownerie. Depressive beherrschen das Spiel mit der Verwandlung, weil sie die Tarnung zum Überleben brauchen. In ihre Seele guckt ihnen dabei keiner. Deswegen sind wir bei Suiziden von Seelenkranken, die als saftig Fidele berühmt wurden, stets sprachlos: Warum gerade der?

Weil der allzeit grölende Spaßmacher andererseits latent zu den großen Unsympathen der Neuzeit zählt, gab man ihm einen elegischen Bruder - so entstand die doppelt künstliche Figur des "traurigen Clowns". Er erhebt die Verlorenheit in der Welt raffiniert in den Rang eines erweiterten Rollenprofils. Der traurige Clown presst sich die Tränen wie aus dem Dudelsack ab; er jammert so prahlerisch, dass jeder echte Kummer dagegen wie die Miniatur eines Gefühls wirkt. Nur dem großen Komiker Buster Keaton gelang es wirklich, den Mann, der nie lachte, erträglich zu gestalten. Vielleicht war er deshalb so gewaltig in seiner Wirkung, weil auch er, Keaton, im wirklichen Leben zeitweise unter schweren Depressionen litt.

Das Image des Clowns ist nicht das beste; weil er das weiß, geriert er sich noch aufdringlicher. Wir kennen die Klassenkasper unserer Kindheit, die keiner in der Schule gemocht hat, weswegen sie mit brutalem Frohsinn um Gunst buhlten. Wie stark der Clown und seine angebliche Wirkung fehlinterpretiert werden, sieht man regelmäßig in Kinderkliniken, wo Kinder vor offiziellen Lustigbolden mit geränderten Augen, schlappigen Hüten und dicken Nasen eher Angst haben.

Obwohl Künstler, sind Clowns und Komiker oft zwangsoriginelle Plagegeister, deren notorische Verstellung uns kalt lässt. Nur wenige Clowns der Zirkusgeschichte wurden geliebt. Einer von ihnen ist Oleg Popow, der tatsächlich ein sonniges Gemüt besitzt, auch heute noch, mit 84 Jahren. Keine Drogen, kaum Alkohol. Laut Internet ist Popow unauffällig, unbeschwert, nur gelegentlich etwas "depri" - wie wir alle, die wir nicht an dieser Krankheit leiden, die einen anfliegen und würgen kann wie ein Gespenst.

Der Clown ist in seiner Pflicht zum Überspielen, Fintieren, Bluffen sozusagen der legale und institutionalisierte Lügner seiner Truppe, seines Betriebs. Kann sein, dass der Clown darunter am meisten leidet. Und darunter, dass er hinter dem Schein nie er selbst sein kann.

(RP)
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