Flutkatastrophe im Ahrtal: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen ehemaligen Landrat ein
EILMELDUNG
Flutkatastrophe im Ahrtal: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen ehemaligen Landrat ein

Ryan Gosling als fanatischer Vater

In "The Place Beyond the Pines" trifft der Publikumschwarm auf den Kritikerliebling Bradley Cooper – und tritt früh ab.

In "The Place Beyond the Pines" trifft der Publikumschwarm auf den Kritikerliebling Bradley Cooper — und tritt früh ab.

Es wird schlimm enden mit Luke. Schon in der minutenlang ungeschnittenen Eingangsszene ist das zu spüren, während der Motorradstuntman im Jahrmarkt-Wohnwagen auf seinen nächsten Auftritt wartet. Mit einem Klappmesser spielend, schleicht er hin und her wie im Käfig, bevor die Kamera ihm in die Arena folgt. Der Körper von hässlichen Tattoos übersät, Haltung und Bewegungen hart, verloren. Die fleischgewordene Einsamkeit. Dass so einer den ersten Strohhalm packen wird, der sich bietet, macht Darsteller Ryan Gosling klar, lange bevor man auch nur sein Gesicht sieht. Mit dieser spektakulären ersten Szene stellt Independent-Regisseur Derek Cianfrance die Weichen für ein komplexes Drama, das sich über drei Generationen erstreckt.

Es ist Romina (Eva Mendes), die vor dem Zelt auf Luke wartet. Eine junge Frau, mit der er vor einem Jahr hier im Städtchen Schenectady eine kurze Affäre hatte. Romina erklärt, ihm in der Zwischenzeit einen Sohn geboren zu haben. Und Luke, der nie einen Vater hatte, entscheidet sofort, zu kündigen und für seine Familie da zu sein, um jeden Preis. Selbst wenn Frau und Kind längst in der Obhut eines anderen Mannes sind. Selbst wenn sie Luke in ihrem Leben gar nicht wollen.

Das folgende Drama böte den meisten Regisseuren Erzählstoff genug. Aber Cianfrance, der seinen Lieblingsschauspieler Ryan Gosling vor drei Jahren mit der aufwühlenden Liebesgeschichte "Blue Valentine" noch in einem intimen Zweipersonenstück inszenierte, multipliziert in seinem dritten Kinofilm alle Faktoren: mehr Figuren, mehr Zeit, mehr Action. Und mehr Tragödie. Um seinen Sohn zu unterstützen, muss Luke an Geld kommen. Eine Lösung bietet sich durch Werkstattbesitzer Robin (Ben Mendelsohn), der Luke hilft, Banken zu überfallen. Das geht gut, bis Luke sich überschätzt und nach einem missglückten Raubzug vom Polizisten Avery gestellt wird.

Hier tritt Bradley Cooper ins Bild, dessen Doppel mit Gosling mit Spannung erwartet wurde: Publikumsmagnet gegen Kritikerliebling. Der Zuschauer wird dieses Duells allerdings beraubt. Denn die Stars stehen sich nicht einmal drei Sekunden gegenüber. Und der plötzliche Abgang des einen gibt, buchstäblich, den Startschuss für die Geschichte des anderen. Avery, der danach von den Medien als Held gefeiert wird, hat fortan nicht nur mit Schuldgefühlen wegen eines Einsatzfehlers gegen Luke zu kämpfen. Sondern auch mit einer Bande korrupter Kollegen und dem langen Schatten seines mächtigen Vaters.

Zwar wirkt Gosling etwas routinierter als sonst, vielleicht, weil er hier seine Kultrolle des brutalen Schweigers in "Drive" nur wenig variiert. Vielleicht auch, weil Cianfrance ihn völlig überzogen mit allen Körperklischees des gesellschaftlichen Versagers ausstattet: abgerissene Kleidung, Punkerhaare, Tätowierungen. Trotzdem nimmt Goslings Abschied dem Film viel Energie, zumal der Wechsel vom rasanten Actiondrama zum ruhigen Korruptionskrimi erst mal verdaut werden muss.

Cooper spielt den moralisch zerrissenen Cop solide, nüchtern. Ein Mann, der seine Ängste für sich behält, auch wenn seine Frau abends im Bett an seiner Kälte verzweifelt. Jemand, der einem fremden Baby auf dem Arm mehr Emotionen zeigen kann als dem eigenen. Wieder einer, dessen Persönlichkeit vom Vater geformt wurde. Die Welt, die Cianfrance entwirft, ist schwer von Bedeutung und Schicksal. Ein Ort immerwährenden Kampfes, und er gehört den Männern allein. Schuld und Sühne, Ego und Verantwortung, darum dreht sich alles. Entsprechend kommen Frauen nur am Rande vor. Anders als Rose Byrne, die als Averys Frau Stichwortgeberin bleibt, schafft Eva Mendes es immerhin, ein Profil herauszuspielen. Doch auch sie bleibt Beiwerk.

15 Jahre später werden Lukes und Averys Söhne zu Ende bringen müssen, was ihre Väter angerichtet haben. Diese dritte Episode mag inhaltlich nötig sein, stilistisch wirkt das Teenagerdrama noch einmal wie abgekoppelt. Nicht nur, weil Cianfrance den einen hemmungslos als Bösen und den anderen als Opfer in Szene setzt, sondern auch, weil er sich mit drei Filmen in einem zu viel vorgenommen hat. "The Place Beyond The Pines" fesselt dennoch als intensive Studie über Väter, Söhne und die Unausweichlichkeit, mit der sie einander prägen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort