Düsseldorf Sommerlieder aus der Transitzeit

Düsseldorf · Die widerborstige Sängerin Lorde hat erneut eine tolle Platte veröffentlicht.

Das Debüt dieser Sängerin war 2013 so toll, dass man gar nicht fassen konnte, dass da eine 16-Jährige aus der neuseeländischen Provinz heraustritt und Lieder schreibt und singt, die so lakonisch sind wie die Kurzgeschichten ihres Idols Raymond Carver. "We don't care, we are driving Cadillacs in our dreams", hieß es bei Lorde. Sie brachte "Tennis Court" und "Royals" in die Charts, Stücke mit extrem guter Rhythmusarbeit und diesem markanten Gesang, der genau genommen ein tiefes Hauchen war.

Man ahnte damals schon, dass diese Frau ein Archetyp sein könnte, das Urbild eines Popstars, den unsere Zeit eigentlich nicht kennt. Das Gegenstück zu Miley, Katy und all den anderen. David Bowie nannte sie "die Zukunft der Musik". Sie war klug und charmant, ein bisschen morbide und bisweilen überspannt, und wenn man Referenzen suchte, fand man sie am ehesten bei Kate Bush. Wie jene Künstlerin wurde Lorde im Alter von 13 Jahren entdeckt und unter Vertrag genommen. Man schlug ihr vor, sie möge rasch ein Album mit Coverversionen von Soul-Klassikern aufnehmen, doch das lehnte sie ab. Sie wolle eigene Titel schreiben, entgegnete sie. Okay, sagten die Bosse.

Gleichzeitig fragte man sich vor vier Jahren, ob das wohl gut gehen werde, ob Lorde ihren Eigensinn würde bewahren können. Und nun, mit 20, veröffentlicht sie ihr zweites Album, es heißt "Melodrama" und ist erfreulicherweise ganz und gar großartig. Max Martin hat der Platte ungewollt das größte Kompliment gemacht. Den Song "Green Light" verriss der Hitschreiber von Britney Spears und Katy Perry mit den Worten, das sei "fehlerhaftes Songwriting", und daran erkennt man, dass das keine stromlinienförmige Massenware ist. Lorde hält sich nicht ans Strophe-Refrain-Schema, ihre Lieder sind wendungsreich, widerborstig, und aus den Instrumentalversionen könnte man Chassis für mächtige HipHop-Stücke bauen.

Dem Album liegt ein Konzept zugrunde, es vertont eine Hausparty, auf der sich Lorde unwohl fühlt, weil alle anderen dort bloß Rollen spielen. Lorde spricht als Freundin zu ihren Hörern, ihre Texte sind Nachrichten aus der Transitzeit, sie handeln davon, wie man der wird, der man gern sein möchte. Es sind Lieder, zu denen man den Kopf aus dem Seitenfenster des fahrenden Autos stecken möchte, wie sie es selbst im Video zu "Green Light" tut.

Das letzte Lied heißt "Perfect Places", es ist das Happy End dieser Platte, und wenn man sich für ein Lied entscheiden müsste, das man den Sommer über hören müsste, wäre dies die erste Wahl.

(hols)
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