Neuss Schütte stellt Schütte aus

Neuss · Die Skulpturenhalle auf der Insel Hombroich zeigt Werke ihres Hausherrn.

Es ist klirrend kalt. Ein klarer Tag, der weite Blicke über die Felder bis zu den Trophäen der Städte gewährt. Skihalle, Kühltürme, Hochhäuser - das alles rückt angesichts des landschaftlichen Idylls in unwirkliche Ferne. Der Wind pfeift. Die Sonne wirft Schatten auf die formschöne Skulpturenhalle. Zwei Neuankömmlinge flankieren den Zugang. Die mehr als vier Meter hohen Skulpturen schuf Thomas Schütte, der Hausherr auf dem Bildhauerhügel ist und sich nach Mario Merz und Richard Deacon nun selbst ausstellt.

Die Kolosse in inniger Umarmung beziehen links und rechts des Eingangs Stellung. Statt auf Beinen stehen sie auf Abflussrohren. Untereinander schauen sie sich nicht an, doch der eine aus der rechten Formation kann den anderen aus der linksstehenden Gruppe beäugen. Der Künstler hat Feinde zwangsvereint. "United Enemies" nennt er die Doppel-Skulpturen, die einem wie Diktatoren - dann aber auch wie Mahner - in dieser seit Trump noch angespannteren politischen Zeit vorkommen. Man muss ihre bronzenen Leiber umlaufen, um ihre Wucht wahrzunehmen. Sie sind dunkel, unbewegt, machtvoll. Ihre ausgefeilten Mienen: expressiv, brutal und sogar böse verzogen.

Die Skulpturenhalle, die im April Einjähriges feiert und die Insel Hombroich um eine architektonische Attraktion bereichert hat, ist ein Ort der Findung, der Konzentration. Nichts lenkt ab von der Kunst. Himmel, Wolken und Sonne beleuchten die Werke auf eine einmalige Art und Weise. Fast 12.000 Besucher waren bisher schon da, was eine erfreuliche Zahl darstellt, darunter Architekturenthusiasten, Kunstliebhaber und Tagestouristen.

Angesichts des Werkes von Schütte beweist sich erneut die der Bildhauerei dienende Funktion der Halle. In ihr lassen sich kleine Arbeiten inszenieren, ohne dass sie verschluckt werden, und riesengroßen gibt sie genügend Umraum. In die zentral ausgestanzte Zelle hat Schütte einen Frauentorso platziert, ein glatter, weich wirkender Körper aus hartem Aluguss. Auf einem Stahltisch liegt die kopflose Figur - wie zum Sezieren freigegeben, immer noch betörend genug, um warm-kalte Schauer hervorzurufen.

Irgendwie menschlich trotz kalter Keramikglasur erscheinen auch die "Gartenzwerge", sieben zu einer Gruppe formiert, unterschiedlich bunt, verschieden gespitzt im obersten Glied und geformt. Oft vergibt Schütte so wohlklingende Titel, damit es leichter ist, über seine verschlüsselten Arbeiten zu fantasieren oder zu philosophieren. Man kann die Titel ruhig ignorieren oder als humoristische Zugabe lesen. Die Gartenzwerge sind allerjüngste Werke, die Gruppe soll eine Familie darstellen. Vasenkörper hat Schütte auf Urnen-Sockel gesetzt. Seit einem Jahr bearbeitet er das Thema auch in Konstruktion und Zeichnung. Auf dem Kunstmarkt machen die Zwerge gerade ihren Weg. Bald schon will er mit ihnen abschließen. Wie er drauf gekommen ist? Seinem Murmeln entnimmt man, dass die expressiven Gesichter dem Künstler schlichtweg zu viel geworden waren. Vom Kopf ohne Gesicht bis zu den ausgearbeiteten Charakteren aus Glas, Keramik und Eisen lassen sich Studien und Vergleiche anstellen. Dazu zeigt Schütte bis 12. März in seiner Halle auch "One Man Houses", drei Architekturmodelle im Maßstab eins zu fünf.

(RP)
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