Schwarzenegger kehrt zurück

Auf der Frankfurter Buchmesse hat gestern Arnold Schwarzenegger seine Autobiographie "Total Recall" vorgestellt. Etliche Hundert Menschen bejubelten den pathetischen Auftritt des einstigen Mister Universums, des Gouverneurs von Kalifornien und Hollywood-Stars.

Frankfurt / M. Fangen wir doch mit Ken Follett an. Mit dem derzeit erfolgreichsten europäischen Schriftsteller also: Seine vor wenigen Tagen erschienene Jahrhundert-Saga, "Winter der Welt", führt bereits die Bestsellerlisten in Deutschland, Dänemark und Italien an. Eigentlich der Star der Buchmesse, doch zu seinem ersten Auftritt finden sich nur 30 Medienvertreter ein. Und denen vertraut der spitzbübisch lächelnde Follett an, dass alle Fakten im Buch stimmten, obwohl es ein Roman sei.

Die nächste bedenkenswerte Vorstellung gilt dann einer Autobiographie, die es eigentlich sehr genau mit der Wahrheit nehmen sollte, aber wer weiß das schon so genau. Gekommen sind diesmal viele Hundert Neugierige, eine ganze Messehalle voller Menschen, die seinen Auftritt zum unangefochtenen Höhepunkt des ersten Messetages machen: Arnold Schwarzenegger ist aus Los Angeles nach Frankfurt gereist, und die Show, die er abliefert, ist unglaublich.

Aber geht es hier wirklich nur um ein Buch, nur um eine, zugegeben: spannende Lebensgeschichte? Im amerikanischen Untertitel von "Total Recall" wurden die 65 Jahre noch als unglaublich bezeichnet ("My Unbelievably True Life Story"); in der deutschen Übersetzung ist daraus nur "Die wahre Geschichte meines Lebens" geworden. Doch Arni, der erst einmal den bereitgestellten TV-Moderator Dieter Moor wie einen lästigen Moskito beiseite wischt, ist eine Pathos-Maschine: 20 Minuten im Monolog, Sätze, die wie auswenig gelernt klingen und die zwischendurch den Zuhörer fragen lassen, ob es hierbei nicht doch um die amerikanische Präsidentschaft geht.

Ach, weit Größeres ist da im Spiel: "Es geht um mein Leben", sagt Schwarzenegger, und jetzt wissen wir alle um die Dramatik dieses Augenblicks. Das Ende aber wird wieder ganz gut werden, auch das vertraut er uns zu Beginn an: "Hasta la vista, baby. I'll be back." Und all die gesitteten wie hochgradig gebildeten Büchermenschen um uns herum jubeln und klatschen, staunen, sind gerührt und dankbar für die Reise, die er jetzt mit uns im Auto durch sein Leben unternehmen will.

Jetzt legt er den ersten Gang ein (das sagt Schwarzenegger tatsächlich so), und wir hören Geschichten vom steirischen Bauernbub, der aufwächst im Bewusstsein, einer Verlierergeneration anzugehören – eine Lektion fürs Leben. Seine Zukunft liegt in den Kraftkammern, und Arni schuftet wie ein Schwein. Alles ist Wille, alles Disziplin und Überzeugung. Bis der hinter Mozart zweitberühmteste Ösi Mister World, Mister Universum, Mister Olympia wird. Und dann will er nach Hollywood (3. Gang), will Haupt-, keine Nebenrollen. Doch die Produzenten lachen ihn aus: Der Körper? Viel zu massig. Der steirische Akzent? Eine glatte Zumutung. Und dann noch der Name! Scharzenschnitzel, oder so. Diese schauspielerische Unmöglichkeit aber wird der Terminator und Conan, der Barbar. Am Ende, sagt er dem staunenden Büchervolk in Frankfurt, wird er 30 Millionen Dollar für eine Rolle kassieren. Der vierte Gang gilt seiner Ex-Frau Maria Shriver und dem dezenten Hinweis, dass er damit als bekennender Republikaner in den mächtigen demokratischen Kennedy-Clan eingeheiratet hatte. Im fünften Gang und kurz vor Vollgas wird er dann noch Gouverneur von Kalifornien – für sieben Jahre.

Dann jedoch geschieht in dieser Heldengeschichte etwas, was nicht vorgesehen war und doch nahezu jeder Heldengeschichte eingeschrieben ist: der Absturz nämlich, die Niederlage, der eigene, große Fehler. Das ist die alte Affäre mit einer früheren Hausangestellten, die im vergangenen Jahr zur Scheidung von Shriver führte. "Meine Familie ist auseinandergebrochen, es war der schwierigste Tag in meinem Leben", sagt Schwarzenegger immer noch so eigenartig pathetisch. Und später, bei seinem zweiten Buchmessen-Auftritt in geschlossener Gesellschaft, wird er sagen, dass Maria eine außergewöhnliche Frau ist, dass er sie noch immer liebt und er seine Familie wieder zusammenbringen möchte.

Menschen lieben solche Geschichten. Die vom Dorf in den Alpen erzählen und bis nach Hollywood führen, Geschichten voller Glanz und Tränen, Geschichten von Menschen, die vielleicht größer als das Leben sind. Und darum auch das Buch, das ihm schwergefallen sei. "Ich bin es nicht gewohnt, zurückzuschauen. Ich habe mir immer nur Ziele für die Zukunft gesetzt." In diesen Momenten verstehen wir zwar immer noch so recht, wie all das in diesem Leben gelingen konnte. Aber wir ahnen, welch ungeheure Kraft und großer Wille diesen breitschultrigen Mann – aber nicht auffälliger als seine Bodyguards – getrieben haben.

Auch darum ist der Autoschaden auf seiner Lebensreise eigentlich behoben. Der Motor laufe wieder recht ordentlich, sagt er. In welchem Gang aber, das verrät er uns nicht. Bevor nun aber Zweifel aufkommen, empfangen wir ein zweites Mal seine Botschaft: "Hasta la vista, baby. I'll be back." Erneut feiert ihn die Halle. Im Schein der Blitzlichter tritt Schwarzenegger ab und Moor ruft ihm etwas albern hinterher, ob er noch andere Bücher empfehlen könne. Das klingt schon fast wie eine Gotteslästerung.

Ein irritierender, vielleicht ja auch historischer Messeauftritt. Schließlich war kein Prediger, sondern ein Autor angereist. Und dessen Interessen sind haargenau jene, die zuvor Ken Follett beschrieben hat: "Ich bin nach Frankfurt gekommen, weil sonst ein anderer Autor hier sitzen würde und die Leute mit ihm über sein Buch sprechen würden. Das möchte ich aber nicht."

(RP)
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