Japanischer Künstler baut "Notfall-Architektur" Shigeru Ban erhält höchsten Preis für Architektur

Chicago/Tokio · Der Japaner baut Häuser aus Karton und Notunterkünfte für Menschen, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben.

Pritzker-Preis geht an Shigeru Ban
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Pritzker-Preis geht an Shigeru Ban

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Er hat den Franzosen einen Ableger des Pariser Centre Pompidou hingestellt und ist bei den Menschen der Industriestadt Metz mit seiner kühnen Architektur angekommen. Aus Kartonröhren hat Shigeru Ban in Neuseeland eine Kirche errichtet, die mit bunten Dreiecken weithin funkelt. Ein Museum auf Zeit hat er in New York konstruiert, das aus recycelten Schiffscontainern besteht und nach Ablauf der Ausstellung, für die es gebaut worden war, nach Kalifornien und später nach Mexiko umzog.

Shigeru Ban hat noch auf ganz anderen Gebieten Aufsehen erregt, zum Beispiel mit seiner "Notfall-Architektur". Für Menschen in krisengeschüttelten Teilen der Welt, die wegen Erdbeben oder Bürgerkriegen ihr Dach überm Kopf verloren haben, hat er einfache Blockhütten hochgezogen, die besser waren als das, was als Standard von Notunterkünften gilt. Die Fundamente dieser Häuser sind mit Sand gefüllte Bierkästen, die Wände bestehen aus Papprohren, das Gerüst ist aus Holz. Nun ist der 56-jährige Japaner für den Pritzker-Preis 2014 benannt worden, der mit 100.000 Dollar dotiert ist und ihm im Juni in Amsterdam überreicht werden wird.

Es ist die international höchste Auszeichnung, die für Architekten ausgesprochen wird. An der Begründung der Jury fällt auf, dass nicht alleine seine kühnen, luftigen, kurvigen und mitunter tanzenden Entwürfe gelobt wurden, sein ökologisches Engagement und sein Bekenntnis zum Recycling, sondern dass ausdrücklich sein humanitäres Engagement Anerkennung findet.

Man sollte also Shigeru Ban eher als einen Anti-Architekten denn als Star-Architekt bezeichnen. Allüren hat er keine, zählt sich nicht zu den Celebrities. Im Interview mit der New York Times sagt er, dass er auf Geldverdienen keinen Wert lege, auch Designpreise interessierten ihn wenig. Die monumentale Architektur sei wichtig, aber seine Sache nicht. Man müsse mehr für die Allgemeinheit tun und im Billigsegment besser bauen. Auf einer internationalen Konferenz in London beklagte Ban das zu wenig auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Planen in der Architektur. Er forderte dazu auf, nicht nur die privilegierten vermögenden Auftraggeber mit guter Architektur zu bedenken.

Als bescheiden wird er charakterisiert und naturverbunden. Respekt vor der Natur ist dem Japaner durch die Erziehung antrainiert. Seine Architektur fügt sich ein in den Ort und in das Umfeld, wo sie entsteht. Haben die Menschen das Haus erst einmal bezogen, kontrolliert der Baumeister hinterher, ob das Leben und die Tätigkeiten funktionieren. Für die kreative Verwendung von ungewöhnlichen Materialien wird der Architekt mit Büros in Tokio, Paris und New York gelobt. Seine Formensprache sei künstlerisch geprägt und universell; sie erinnert an die transparente japanische Kultur mit Papierwänden.

"Ich hasse die Verschwendung", bekennt Shigeru Ban. Dafür gebe es vielerlei Gründe, vor allem aber seine Verwurzelung in der japanischen Kultur veranlasse ihn zur Bemessung der jeweils rechten Mittel. Als er die Nachricht von der Preisvergabe erhielt, zeigte sich Ban überrascht. "Ich denke, dass dies bedeutet, dass ich das, was ich bisher gemacht habe, fortsetzen soll", sagte er der japanischen Tageszeitung "Asahi Shimbun". Als Professor in Kyoto wird er diesen demütigen Ansatz der Architektur weitergeben.

(RP)
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