Showtime bei der Art Basel

Die Kunstwelt trifft sich in der Schweiz. Der Kaufrausch vergangener Jahre ist zwar abgeflaut, aber noch immer werden dort große Geschäfte mit großen Namen gemacht. Ein Rundgang.

Sie gilt als globaler Marktspiegel. Dass sich die Art Basel neuerdings zum Seismographen der weltweiten Umbrüche mausert, sollte man zwar nicht überbewerten. Ein Gewinn ist die erfreulich hohe Zahl an zeitkritischen Werken dennoch. 2015 hatten noch die Klassiker der Moderne im Rampenlicht gestanden. Messe-Chef Marc Spiegler konstatierte eine Durststrecke, der Markt wäre ausgeschöpft. Diesmal findet man die Picassos und Matisses immer noch überwiegend nur in Papierform. Es kriselt aber auch bei der Gegenwartskunst. Lieferdefizite gibt es zwar nicht. Aber die Kauflaune, die noch in den vergangenen Jahren hysterische Ausmaße annahm, ist abgeflaut. Werke von jungen Künstlern blieben deswegen vorausschauend zumeist im Depot.

An lebenden Markt-Lieblingen wie Gerhard Richter, Cindy Sherman oder Jeff Koons herrschte an den Preview-Tagen trotzdem kein Mangel. Und willige Groß-Sammler und VIPs vom Schlage eines Michael Ballack oder Norman Foster flanierten in Bataillon-Stärke durch die Gänge der Halle 2. Ist man erst mal in die Liga eines Blue Chip, wie man prestigeträchtige Kunstwerke hier nennt, aufgestiegen, sind die Auf und Abs des Marktes für die Auserwählten offenbar eine nicht beachtenswerte Lappalie.

Fragte man aber jenseits des goldenen Bermuda-Dreiecks von Top-Galerien wie Gagosian, Gladstone, Sprüth Magers oder Thadaeus Ropac nach, bekam die übliche Euphorie doch einen Dämpfer. Am Stand der Galerie Michael Werner hatte man eigentlich alles richtig gemacht. Wenig überraschende Zugpferde von Polke über Baselitz bis zu Lüpertz trafen auf die historische Position von Francis Picabia, dem gerade das Kunsthaus Zürich um die Ecke eine Werkschau ausrichtet. Der Preis von 2,5 Millionen US-Dollar für sein in tiefes Grün getauchtes Doppelporträt "Deux personnages" fiel in dem Rekord-Umfeld der besten Messe der Welt nicht wirklich aus dem Rahmen. Und dennoch war zu hören: "noch nicht verkauft".

Das Stichwort kehrte auch bei Foto-Spezialist Thomas Zander für die achtteilige Serie "Physiognomien 1972/73" von Jürgen Klauke wieder, der erstaunlich häufig, etwa bei der Galerie Kicken oder Hans Mayer aus Düsseldorf, mit ähnlichen Selbstinszenierungen anzutreffen war. Für 65.000 Euro wollte dennoch niemand die Wände seines Eigenheims mit dem Kölner Künstler tapezieren.

Aber lässt sich diese punktuelle Zurückhaltung auf die ganze Superlativen-Messe übertragen, die diesmal von 286 Galerien aus 33 Ländern bespielt wird? Der Dauerregen konnte dem Ansturm am Eingang jedenfalls nichts anhaben. Die Nachfrage nach renditestarken Investitionsobjekten war verlässlich groß. Die blondierten Greisinnen mit den klonhaft junggestrafften Gesichtern machten vergeblich den langbeinigen Twenty-Somethings Konkurrenz um den erotischsten Showtime-Auftritt.

Bei der Galerie Thomas aus München waren sämtliche Plüschsessel mit Sammler-Ehepaaren besetzt, die trotz aller Schwundwarnungen in der Moderne baden wollten. Und siehe da, Max Ernst, Alexej von Jawlensky, Kandinsky und andere Heroen standen auch im Gemälde-Format zur Auswahl. Die Schweizer Hauser & Wirth gönnten sich sogar siegesgewiss einen auffällig frauenaffinen Auftritt mit Phyllida Barlow, Louise Bourgeois, einem in allen Blau-Facetten strahlenden "Redondo Beach" von Mary Heilmann für 450.000 US-Dollar oder einer bunt verspielten Gouache von Eva Hesse für 850.000 Dollar.

Und natürlich waren auch wieder Blitzkäufe zu verzeichnen. Bei Mnuchin aus New York wechselte Brice Mardens minimalistisches "First Window Painting" für 4,5 Millionen US-Dollar den Besitzer. Hauser & Wirth verkauften ihren "Tomato Head" von Paul McCarthy, ein überdimensionales Spielzeugmännchen mit voluminösem Tomatenkopf, direkt nachdem es aufgebaut wurde, für 4,75 Millionen Dollar in die USA.

Nur das Abweichende, Experimentelle, weniger Etablierte hatte es schwer. Riskante Manöver gilt es gerade offenbar zu vermeiden, angesichts einer latent drohenden Kunstblase, nicht kalkulierbarer Migrationsströme und eines Brexit, der den Markt durcheinander wirbeln könnte. Nicht zuletzt ist der Umsatz der großen Mai-Auktionen in New York und London um zwei Drittel eingebrochen.

Die Angst des Sammlers fing der Belgier Hans Op de Beeck in der Halle 1 der "Art Unlimited", dem Segment für raumsprengende Werke, das inzwischen die aufregendsten Stücke der Messe bereit hält, mit Hang zur illusionistischen Theatralik ein. Seine Installation "The Collector´s House", ein neoklassisches Interieur im aseptischen Grau, war als großformatiger Albtraum konzipiert, in dem sich Wunderkammer-Regale, Memento mori mit Totenkopf, Skulpturen und junge Halbnackte am Pool längst von der Außenwelt abgekoppelt haben.

Vorsichtige Kritik am Kunstbetrieb übte auch das Duo Elmgreen & Dragset, das die nächste Istanbul Biennale kuratieren wird. In ihrer ebenfalls begehbaren Installation "Secondary" tauchte man in ein Auktionsambiente ein, das von aggressiven Stimmen aus dem Off befeuert wurde. Der Kunstmarkt als Kriegszone? Rafael Lozano-Hemmer und Krzysztof Wodiczko verlagerten den Kampf lieber in Überwachungsräume. Betrat man ihre audiovisuelle Installation "Zoom Pavillon", erkannte man sich nach einigen Schrecksekunden selbst auf den Wandprojektionen.

Regimekritiker Ai Weiwei wirkte dagegen blutleer. Sein weißer Holztempel prophezeite mit seinen fragilen Kristallkugeln als Fundament allzu plakativ das Verschwinden von Tradition. Chiharu Shiota war da mit "Accumulation: Searching for Destination" weiter. Ihre Installation aus bis zur Decke an roten Seilen schwebenden Koffern ließ keinen Zweifel daran, dass die herkömmlichen Identitäten ins Wanken geraten sind.

Das gilt kaum für die Supersammler. Für diese privilegierte Geld-Elite hat sich auch bei diesem Jahrgang nur gefühlt etwas verändert.

(RP)
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