Düsseldorf Sopranistin des Olymps

Düsseldorf · Der vor 100 Jahren geborenen Elisabeth Schwarzkopf gilt eine 31-CD-Box.

Wie selbstverständlich singt sie auf dieser Platte alle Frauenstimmen in dieser Oper: die Gräfin sowieso, aber auch das Kammermädchen Susanna und sogar den vorwitzigen Cherubino. Aus dem "Figaro"-Personal fehlt nur noch Marcellina, die wollte der Verlobte ihr dann doch nicht zumuten.

Diese Platte mit Mozart-Arien ist Ausdruck einer wundervollen Züchtigung. Ihr Produzent ist Walter Legge, der mythische Chef der EMI, die Sopranistin ist Elisabeth Schwarzkopf. Vor ihr stand die ganze Welt Schlange, Legge aber war ihr Dompteur. Im Dezember 1952 wurde die Platte in London aufgenommen, und weil Legge stimmlich bei der Dame bereits alles erreicht hatte, was er wollte, konnte er sie ein Jahr später frohgemut zum Traualtar führen. Aus "His Master's Voice" (dem legendären EMI-Slogan) wurde "Her Master's Voice" - als Inbegriff des artigen Hündchens, das außerhalb des ehelichen Zwingers die Primadonna zu geben pflegte.

Elisabeth Schwarzkopf, vor genau 100 Jahren im polnischen Jarocin geboren und 2006 in Schruns (Vorarlberg) gestorben, wird jetzt von der Schallplattenfirma Warner in beinahe überschwänglichem Maß geehrt: "The Complete Recitals 1952-1974" heißt die 31 CDs umfassende Kollektion, die einen überwältigenden Schatz ausbreitet - von Arien und Liedern, die man fast automatisch mit dieser famosen Sängerin verbindet (etwa Mozart), und solchen, die wahren Raritäten gleichen. Die perfekte Rückendeckung gibt ihr oft der feine Pianist Gerald Moore, der die Stimme der Schwarzkopf auf den Flügeln dieser Welt stets diskret und souverän durch Zeit und Raum trug - sogar zu englischen Traditionals wie "Drink to me only with thine eyes", in die glühende finnische Welt eines Jean Sibelius und seiner "Schwarzen Rosen" oder zu schwyzerdütschen Leckerli wie "O, du liebs Ängeli". Zu Moores Ehren sang die Schwarzkopf mit der ebenso wunderbaren Victoria de los Angeles 1967 das legendäre "Katzenduett" von Rossini.

Den Hauptanteil dieser gebündelten Schwarzkopf-Feierstunden nehmen erwartungsgemäß die kultischen Gesangsvorträge rund um Mozart, Strauss und Wolf, Schubert und Schumann ein. Abermals fasziniert ihr silbrig glänzender, mit dem Hörer diskret kokettierender und ihn doch unmerklich zur Distanz verurteilender Sopran. Schwarzkopfs Sopran sang immer in einer eigenen Liga, er besitzt alle Wunderzeichen des Makellosen; diese Einzigartigkeit konnte ihre Hörer ebenso sprachlos wie einsam machen. Ja, die Kunst der Elisabeth Schwarzkopf besaß immer auch Symptome jener Kälte, die aus der Stilisierung kam. Gleichwohl war diese Hoheit die Voraussetzung dafür, dass sie später als Lehrerin weltweit ebenso verehrt wie gefürchtet war.

Diese erhebende Sammlung einer Stimme vom Olymp sollten jedenfalls nicht nur Liebhaber dringend besitzen.

(w.g.)
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