Star Wars in der Kritik Deshalb hassen so viele Fans "Die letzten Jedi"

Düsseldorf · Der jüngste Star-Wars-Film hat weltweit schon mehr als eine Milliarde US-Dollar eingespielt. In den USA ist er der erfolgreichste Film des Jahres 2017. Dennoch scheinen viele Fans das Kino-Epos zu hassen. Warum eigentlich?

Seit drei Wochen kämpfen "Die letzten Jedi" auf Kino-Leinwänden weltweit um das Schicksal einer weit, weit entfernten Galaxis vor langer Zeit. Und mit einem weltweiten Einspielergebnis von mehr als eine Milliarde Dollar ist der Film bislang nach "Das Erwachen der Macht" und "Rogue One" der erfolgreichste Film der Reihe. Doch diese Zahlen sind nur ein Teil der Wahrheit. In den sozialen Netzwerken machen viele Fans ihrem Ärger und ihrer Enttäuschung Luft. Zumindest jene, die mit der Story nicht zufrieden sind. Von ihnen wird fast jeder Post zu den "Letzen Jedi" schnell mit Kommentaren zwischen "langweilig" über "schlecht" bis zu "enttäuschend" geradezu gespammt. Doch was stört die Online-Kritiker nun wirklich an dem Film?

Ein Kritikpunkt, der immer wieder genannt wird: Disney+ hat den Film und damit "Star Wars" selbst mit erzwungenen Humor ins unerträglich Kindische und Lächerliche getrieben. Fast scheint es, als ob den Online-Kritikern Jorge de Burgos aus "Der Name der Rose" persönlich ins Ohr flüstert: In dem Werk von Umberto Eco hält der Mönch Jorge das Lachen selbst für gotteslästerlich. So ähnlich klingt auch die Kritik an "Die letzten Jedi". Dabei verdankt gerade die Star-Wars-Ikone Han Solo aus der ersten Trilogie ihren Kultstatus auch ihrem trockenen bis zynischen Humor. Und wie war das noch in Episode IV, als Han schreiend eine Einheit Stormtrooper durch den Todesstern hetzt? Auch die Jagd durch das Asteroidenfeld in "Das Imperium schlägt zurück" lebt unter anderem von seinem Galgenhumor.

Das war aber 1980. Im 21. Jahrhundert ist "Last Jedi" zu witzig. Da spielt es keine Rolle, dass der Humor ein Stilmittel ist, um die tragische Geschichte nicht mehr ganz so düster erscheinen zu lassen. Schnell überholen sich die Kritiker dann noch mit Vorwürfen in Richtung Disney. Der Mickey-Mouse-Konzern habe zwanghaft das Erfolgsrezept seiner Marvel-Superhelden-Filme kopiert, und überhaupt sei alles zu kommerziell. Vergessen wird dabei indes, dass Star-Wars-Schöpfer George Lucas selbst erst die Kommerzialisierung seiner Filme erfunden hat. Am Ende bleibt darum eine Vermutung: Die Kritik am Humor ist nicht wirklich das Problem der "Letzen Jedi", sondern es ist nur das Symptom eines anderen Fanleidens.

Mussten Fans 2015 bereits den Tod von Han Solo ertragen, passiert in "Last Jedi" noch etwas viel Schlimmeres: Luke Skywalker ist der große Held der ersten Trilogie. Selbst in "Das Erwachen der Macht" war er noch die große Lichtgestalt, der in völliger Verklärung die "Erste Ordnung" im Alleingang beseitigen sollte — wenn man ihn denn nur finden würde. Nichts macht klarer, was er davon hält, als er in "Die letzten Jedi" sein altes Lichtschwert und damit seine Vergangenheit einfach über die Schulter wirft. Der große Held von einst ist ein gebrochener Mann, der vor allem mit Ben "Kylo Ren" Solo völlig überfordert war. Der Held von damals ist nur noch jemand, der gescheitert ist und sich enttäuscht zurückgezogen hat.

Der Film macht da nicht Halt. Leia hat zwar ihren großen Moment, als deutlich wird, wie stark die mystische Macht in ihr tatsächlich ist. Aber ihr Sohn Kylo Ren ist erfüllt von der dunklen Seite und hat seinen Vater getötet. Jahrelang hatte sie die neue Republik vergeblich vor der "Ersten Ordnung" gewarnt. Nun ist die Republik vernichtet, und der Widerstand unter ihrer Führung wird durch die Galaxis gehetzt. Der Nimbus der Prinzessin von Alderaan indes ist verblasst: Auf ihren Hilferuf antwortet niemand mehr, und nur noch ein paar letzte Widerstandskämpfer folgen ihr.

Das Versagen sei der größte Lehrmeister, sagt Yoda in "Die letzten Jedi". Und der Film führt uns genau das vor. Ernüchternd und schonungslos rechnet er mit den einstigen übergroß wirkenden Lichtgestalten ab. Sie werden reduziert zu Menschen, die aber gerade dadurch an Tiefe und Charakter gewinnen. Dennoch scheint eben das viele Fans vor den Kopf zu stoßen, die sich von ihren über Jahre gepflegten Vorstellungen lösen müssen.

Dabei ist Loslassen ein Hauptthema des Films. Rey gibt ihre idealisierte Vorstellung von Luke Skywalker und die Suche nach ihren Eltern auf. Luke dagegen löst sich aus seiner selbstgewählten Isolation. Kylo Ren zerstört die Maske, hinter der er sich versteckt. Leia gibt über weite Strecken ihre Befehlsgewalt ab: Sie überlässt sie schließlich Poe Dameron, der seine idealisierten Vorstellungen von Heldenmut begräbt, um Verantwortung zu übernehmen. Am deutlichsten wird es aber in einer Szene: Die Technikerin Rose lässt ihren Anhänger los, der sie mit ihrer toten Schwester verbindet. Sie übergibt ihn dem windigen DJ, der ihn später nutzt, um eine Tür zu öffnen.

Erst das Loslassen und nicht das Festhalten führt die Charaktere zu ihrer Bestimmung oder ihrer Erlösung. Doch der Abschied vom Alten scheint vielen Fans schwerzufallen. Auch solchen, die 2015 nicht müde wurden, "Das Erwachen der Macht" zu kritisieren, weil der Film aus ihrer Sicht zu viel Star-Wars-Bewährtes nur aufgegossen habe, anstatt etwas Neues zu wagen.

Bei Youtube gibt es Tausende Videos von Fans, die in den vergangenen zwei Jahren ihre Theorien zu Snoke und Reys Eltern veröffentlicht haben. Und einige von ihnen haben sich offenbar dermaßen von ihren eigenen Vorstellungen mitreißen lassen, dass "Die letzten Jedi" sie nur enttäuschen konnte. Am Ende hatte Snoke indes nur eine Aufgabe: Er führte Kylo Ren zur dunklen Seite. Dann wurde er beseitigt. Snokes Geschichte war damit auserzählt, und jede weitere Erklärung hätte nichts Wesentliches mehr hinzugefügt.

Natürlich hätte er ein Charakter sein können, dem man in den Filmen zuvor bereits begegnet ist: ein auferstandener Darth Vader oder sogar der Imperator. Doch dann wäre die Reihe nur auf der Stelle getreten. Eine neue Figur mit Hintergrund-Story dagegen hätte von den anderen Charakteren abgelenkt. Der buchstäbliche Schnitt in "Last Jedi" war darum der einzige Weg.

Mit dieser radikalen Entscheidung aber ist Kylo Ren auch kein Opfer mehr, kein verführtes Kind, kein an sich gutes Wesen, das nur benutzt und manipuliert wird. Kylo Ren wird so zum Täter, der die dunkle Seite wählt, statt von ihr überwältigt zu werden. Und er löst damit das Versprechen ein, dass er dem verbrannten Helm von Darth Vader in "Das Erwachen der Macht" gegeben hat: "Ich werde beenden, was du angefangen hast." Der Dunkle Lord der Sith aus der ersten Trilogie wollte damals den Imperator ablösen. Kylo Ren hat Snoke tatsächlich beseitigt und ist nun der Supreme Leader.

Ebenso mutig ist der Schritt, dass Reys namenlose Eltern ihr Kind offenbar als Belastung empfanden und sie einfach zurückgelassen haben. Erst das macht aus ihr eine selbstbestimmte Figur. Sie gehört nicht zum Star-Wars-Adel der seit Jahren etablierten Figuren. Sie tritt kein Erbe an und wärmt nur Bekanntes neu auf. Rey hat die Macht selbst entdeckt und lernt selbstständig sie zu nutzen.

Für sie und Kylo Ren sind die dunkle und die helle Seite keine durch die Geburt vorherbestimmten Schicksale. Sie leben auch nicht die Leben anderer mit großen Namen. Beide entscheiden vielmehr selbst, wer und was sie sein wollen. Darum hat Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson folgerichtig Snoke einfach sterben lassen und Reys Eltern zu bedeutungslosen Figuren degradiert. Das ist enttäuschend für viel Fans, die zu sehr in den alten Trilogien dachten und Geheimnisse witterten. Aber ohne diesen Schnitt hätte Disney nur die Filme aus den Jahren 1977 bis 1983 mit neuen Schauspielern und besseren Effekten einfach kopieren können.

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Auch die Handlung auf der Casino-Welt Canto Bight stört einige Fans. Dabei offenbart diese Stadt eine neue Sichtweise auf das Star-Wars-Universum. Es ist nicht die dunkle Seite oder ein Sith-Lord, der das Böse aus dem Nichts ins Universum bringt. Vielmehr sind selbstsüchtige Gruppen und Individuen dafür verantwortlich, die ohne Empathie profitieren — auf Kosten anderer. Erst dadurch, dass kurzsichtig nur der eigene Vorteil im Fokus steht, kann das Böse, die Ausbeutung und das Leid wachsen und regieren. Die Figur DJ steht genau für diese zynische Gleichgültigkeit gegenüber den Schicksalen anderer. Selbst der Name ist ein Ausdruck dieser Einstellung. Die Buchstaben DJ sind die Abkürzung für "Don't Join": Schließe dich niemals an.

Dahinter steckt gut verpackt Gesellschafts- und Kapitalismuskritik des Drehbuchautoren und Regisseurs Rian Johnson. Und die macht in dem Film erneut eins deutlich: Die Star-Wars-Galaxis benötigt keine Jedi oder übergroßen Helden wie Luke, Han Solo oder Leia, die im Alleingang die Galaxis vor dem Bösen retten. Viel dringender ist die Hoffnung auf eine neue, gerechtere Ordnung. Der Glaube an eine Veränderung aber setzt sich von unten und mit den Unterdrückten durch. Dafür steht der Schluss des Films: ein gewöhnlicher Sklavenjunge auf Canto Bight ohne großen Namen, der aber mit der mystischen Macht verbunden ist. Er trägt den Ring des Widerstands und blickt hoffnungsvoll zu den Sternen.

"Das Imperium schlägt zurück" aus dem Jahr 1980 gilt mittlerweile als der beste Star-Wars-Film — auch wenn er nicht der erfolgreichste Teil der Reihe ist. George Lucas hatte damals etwas Neues gewagt: Er hatte die Helden leiden lassen und die simple Story um viele Facetten bereichert. Tatsächlich aber kam der Film 1980 bei vielen Kritikern und Fans nicht ganz so gut an. In einer Zeit ohne Facebook und Twitter machte man sich in Leserbriefen unter anderem in dem damaligen Science-Fiction-Magazin "Starlog" Luft. Unter archives.org lassen sich noch einige alte Ausgaben abrufen. Und da werden die aus Fansicht dümmlichen Dialoge verrissen.

Beispielsweise, dass Han Solo auf Leias "Ich liebe dich" nur mit "Ich weiß" antwortet. Der hektische Schnitt wird ebenso bemängelt wie die vielen Erzählstränge oder die neuen verschwendeten Figuren wie Boba Fett. Am Ende klingt die scharfe Kritik vieler Fans aus den 1980ern fast wie die Social-Media-Kommentare heute zu "Last Jedi". Manche Filme benötigen anscheinend Zeit, um dann doch anzukommen und gefeiert zu werden.

(jov)
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