Düsseldorf Genie und Tyrann - Steve Jobs im Film

Düsseldorf · Danny Boyle erzählt das Leben des Apple-Gründers entlang dreier Produktpräsentationen - mit einem glänzenden Michael Fassbender.

 Michael Fassbender als Steve Jobs in einer Szene des Kinofilms "Steve Jobs"

Michael Fassbender als Steve Jobs in einer Szene des Kinofilms "Steve Jobs"

Foto: dpa, bsc

Die Zeit drängt. Man hört sie pochen in diesem atemlosen Film über das Beschleunigungszeitalter. Es ist das Jahr 1984: Steve Jobs muss gleich auf die Bühne. Er will ein neues Apple-Produkt vorstellen: den Macintosh, den ersten Rechner mit graphischer Benutzeroberfläche, einen Computer für daheim - und für alle. Doch das Sprachprogramm des Plastik-Kastens ist gerade abgestürzt, das Ding wird bei der Präsentation nicht "Hallo" sagen können.

Eine Bagatelle für jeden Unbedarften, ein Desaster für Steve Jobs. Denn der Computer-Pionier war nicht nur Perfektionist und Pedant, er hatte einen untrüglichen Instinkt für jene Details, die beim Käufer den Habenwollen-Reflex auslösen, die süchtig machen nach neuer Technik. Und darum kennt er kein Erbarmen mit seinem Software-Entwickler Andy Hertzfeld. Der Computer wird in wenigen Minuten "Hallo" sagen, kein Kompromiss, oder die Veranstaltung fällt aus. Und die Uhr tickt.

Biografische Filme halten sich meist an die Chronologie, erzählen Entwicklungsgeschichten, die in schwierigen Kindheiten ihren Anfang nehmen und einen Menschen durch Erfolge wie Enttäuschungen führen, bis er zum Helden gereift ist. Und natürlich gibt das Leben des Steve Jobs, der bei Adoptiveltern aufwächst, zum einflussreichsten Technikvisionär des Computerzeitalters aufsteigt und bereits mit 56 Jahren an einer Krebserkrankung stirbt, all das her. Jobs war Genie und Tyrann, ein Mann, der die Technik kompromisslos an den Bedienbedürfnissen des bequemen Nutzers ausrichtete und damit aus einem Rechengerät für Spezialisten den ständigen Begleiter des Menschen machte - sein Zweithirn für die Hosentasche.

Das kann nur einer leisten, der seiner Zeit weit voraus ist und sich von Bedenkenträgern nicht aufhalten lässt. Und von denen, die es gut mit ihm meinen, auch nicht.

Schon ein herkömmliches Porträt dieses herrischen Helden ist also spannend, wie etwa Joshua Michael Stern mit "Jobs" gezeigt hat. Doch Regisseur Danny Boyle ist kein Mann für einfache Lösungen. Er hat so rasante Filme wie "Slumdog Millionär" gedreht und darin das Medienphänomen der Spielshows mit einer herzzerreißenden Aufsteigergeschichte verquickt.

Für seinen Jobs-Film - der am Donnerstag in die Kinos kommt - arbeitete er mit dem Drehbuchautoren Aaron Sorkin zusammen, der bereits aus dem Leben des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg in "The Social Network" eine unterhaltsame Gesellschaftsgeschichte machte.

Aus dem Karriereweg des Apple-Gründers machen die beiden nun ein Drama in drei Akten auf höchst begrenztem Raum. Drei Mal erlebt der Zuschauer Jobs in den Minuten vor einer Präsentation: Auf den Mac von 1984 folgen der schwarze Würfel von NeXT, jener Firma, die Jobs nach seinem Rauswurf bei Apple gründete, und der iPod 2001 - einer der Triumphe nach der Rückkehr zu Apple. Jobs ist jeweils in einem dieser unbehausten Bühnenhinterzimmern zu erleben. Dort hält er Hof. Das heißt, dass ständig Leute hereinstürzen, die noch schnell etwas besprechen oder auch Lebensabrechnungen mit ihm begleichen wollen. So lernt der Zuschauer etwa den anderen Apple-Gründer, Steve Wozniak (Seth Rogen) kennen, Jobs Kontrahenten bei Apple, John Sculley (Jeff Daniels) und Ex-Freundin Chrisann Brenna (Katherine Waterston) samt Töchterchen Lisa - die Vaterschaft hat Jobs jahrelang bestritten.

Audienz im Speedformat. Dazu gibt es Dialoge, die so schnell, bissig und geschliffen sind, dass keine Verschnaufsekunde bleibt. Dieser Film ist brillant und turbobeschleunigt - eine Biografie in Produkten über den Betreiber und Gewinnler der digitalen Revolution. Und er bietet Michael Fassbender die Kammerbühne, einmal mehr seine schauspielerische Ausnahmeklasse zu beweisen. Er spielt Jobs als hochintelligenten, rücksichtslosen, charmanten, eiskalten Visionär und Kapitalisten. Großartig, wie er die Figur in der Schwebe hält, jedes Urteil über Jobs in der nächsten Szene gleich selbst widerlegt. Dazu hat Fassbender eine glänzende Gegenspielerin, an der sich messen lässt: Kate Winslet spielt Marketing-Chefin Joanna Hoffman, die einzige Frau, die Jobs ohne Angst begegnet und von ihm ernstgenommen wird. Beide Schauspieler zelebrieren ihre Schlagfertigkeits-Gefechte unter höchstem Zeitdruck.

Und doch, irgendwann erlahmt die Faszination für diesen Film, wird man all der polierten Dialoge im immer gleichen Umfeld müde. Fassbender wird zum Gefangenen der Hinterzimmer; zwar kommen die Schwierigkeiten seines Lebens zur Sprache, ist etwa die Rede von der Kränkung, als Baby von den leiblichen Eltern verlassen worden zu sein, die womöglich ein Antrieb für ihn war. Doch es wird über all das eben nur gesprochen, gestritten, wettanalysiert in lauter Rededuellen, wie man sie den meisten Filmen nur wünschen kann. Hier aber ist irgendwann zu viel Sahne auf der Torte. Dazu mündet all die Selbstdarstellung und Selbstverteidigung des Steve Jobs in eine schwache Schlussszene mit Tochter Lisa. Doch da ist man eh schon erledigt von all den Pointen und meisterlichen Zuspitzungen eines Films, der verbissen schlau, schnell, perfekt sein will. Und mindestens so erfolgreich wie Apple.

(dok)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort