Düsseldorf Das traurige Meisterwerk von US-Sänger Sufjan Stevens

Düsseldorf · Es ist gut, dass das hier ein Artikel ist und keine Ansprache, denn reden kann man nicht so gut über das neue Album von Sufjan Stevens - man müsste nämlich zwischendurch öfter mal abbrechen wegen der Tränen. "Carrie & Lowell" heißt die Platte, und sie ist das Traurigste, Herzzerreißendste und zugleich Schönste, was man in diesem Popjahr zu hören bekommen wird. Der 39-Jährige schrieb die elf Songs als Reaktion auf den Tod seiner Mutter, und im Grunde macht er etwas sehr Naives, sehr Menschliches und Wohltuendes: Er gibt dem Schmerz einen Sinn.

Es ist gut, dass das hier ein Artikel ist und keine Ansprache, denn reden kann man nicht so gut über das neue Album von Sufjan Stevens - man müsste nämlich zwischendurch öfter mal abbrechen wegen der Tränen. "Carrie & Lowell" heißt die Platte, und sie ist das Traurigste, Herzzerreißendste und zugleich Schönste, was man in diesem Popjahr zu hören bekommen wird. Der 39-Jährige schrieb die elf Songs als Reaktion auf den Tod seiner Mutter, und im Grunde macht er etwas sehr Naives, sehr Menschliches und Wohltuendes: Er gibt dem Schmerz einen Sinn.

Wer den Liedermacher nur als schrägen Folkmusiker mit Flügelkostüm in Erinnerung hat, sollte sich seine Alben "Seven Swans" (2004) und "Come On Feel The Illinoise" (2005) anhören. Das erste bietet zarte Klanggebilde, das zweite ist ein ambitioniertes Großprojekt, ein größenwahninniges Meisterwerk: Teil einer geplanten Reihe von Konzeptalben über jeden der US-Bundesstaaten. "Carrie & Lowell" orientiert sich eher an "Seven Swans".

Die Stücke sind spartanisch instrumentiert: Gitarre, fluffige Elektronik-Sounds, sanfter Frauengesang im Hintergrund und schwebende Synthesizerflächen. Die Atmosphäre ist intim, abgedunkelt, und als ahne Stevens, wie sehr einen diese größtenteils gehauchten Lieder mitnehmen, lässt er einige bereits nach drei Vierteln der Spielzeit in weiten Hallräumen allmählich verebben - zum Luftholen sozusagen.

Stevens erzählt von seiner Kindheit, "everything was fiction, future and prediction", singt er. Man kann die CD neben die Romane von John Green ins Bücherregal stellen und auch noch die Blu-ray des Films "Boyhood" dazulegen. Stevens' Mutter Carrie ging, als er jung war, sie hatte psychische Probleme. Er wuchs beim Vater auf, und als die Mutter wieder heiratete, knüpfte er zu ihrem neuen Mann eine enge Freundschaft. Heute führt dieser Lowell, dessen Name im Albumtitel zitiert wird, das Plattenlabel seines Stiefsohnes: Es heißt "Asthmatic Kitty".

Die Musik ist exquisit produziert, die Texte spiegeln Allgemeingültiges im Persönlichen. "Carrie & Lowell" ist ein Meisterwerk, das einer Verletzung abgerungen wurde. Aus Schmerz entsteht Schönheit, und Schönheit kann so tröstlich sein.

(RP)
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