Berlin Thriller um eine Beicht-Hotline

Berlin · Die Berlinerin Jutta Maria Herrmann hat ein gelungenes Debüt vorgelegt.

Irgendwo in diesem Buch taucht ganz kurz eine Susan auf, beschrieben als Redaktionsassistentin im Politikressort des "Berliner Morgen". Susans Schöpferin, die Autorin dieses Buches, lebt ebenfalls in Berlin, und auch sie arbeitet für eine Zeitung, nämlich für die Rheinische Post. Aber wer nun kombiniert, Jutta Maria Herrmanns Romandebüt "Hotline" finde im Journalistenmilieu seinen Platz, darf sich überraschen lassen.

Vier junge Leute haben eine Firma. Ihre Idee ist es, Menschen Gelegenheit zu geben, wahre wie erfundene Sünden anonym per Telefon zu beichten. Naheliegend nennen sie es die Beicht-Hotline. Das Projekt läuft gut, dann nicht mehr ganz so gut, dann reicht es gerade so zum Leben. Das Drama beginnt, als eine Anruferin verkündet, sie wolle ein lebendes Baby vergraben. Eine Beichte, die nur wenig merkwürdiger klingt als das meiste, was die Freunde sonst zu hören bekommen. Denken sie. Als dann tatsächlich auf einem Friedhof eine Babypuppe ausgebuddelt wird, ist nicht nur dem geübten Leser klar, dass mehr dahinterstecken muss. Bald wissen wir: Hier hat jemand etwas Ungutes vor.

Herrmann gibt sich Mühe mit ihrem Personal. Sie alle haben ihr Päckchen zu tragen. Sie sind jung, und ihre Themen sind die von Noch-nicht-ganz-Erwachsenen: schwieriges Elternhaus, familiärer Verlust, Schwangerschaft, die Schwierigkeit, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. So gesehen ließe sich der Roman durchaus und im besten Sinne auch als Jugendbuch lesen. Doch in erster Linie ist er ein Psychothriller, und gemäß den Gesetzen des Genres verrennen sich alle Beteiligten innerhalb weniger Tage in einem von Rachedurst getriebenen Plan.

Der Leser hegt schon bald einen ersten Verdacht über dessen Urheberschaft. Und die Autorin macht sich nicht die Mühe, ihn zu zerstreuen. Überhaupt sind Finten und überraschende Wendungen nicht ihre Sache. Vielmehr entwickelt sie eine durchdachte und folgerichtige Handlung, die alles hat, was wir an Thrillern mögen. Abgesehen von kurzen Rückblenden erzählt sie ihre Geschichte durchweg im Präsens. Das erlaubt ihr, das Tempo beliebig anzuziehen. Dabei vernachlässigt sie weder die Berliner Topographie noch scheut sie sich vor schaurigen Streifzügen über nächtliche Friedhöfe. Und zum Showdown hin möchten wir den Figuren Warnungen zurufen, denn die Leser sind im Bild, aber die Figuren sind es nicht. Mit zunehmender Seitenzahl sind sie mehr und mehr auf sich gestellt.Die gebürtige Saarländerin hat das so eingerichtet, mit viel Geschick und einer für eine Debütantin erstaunlichen Souveränität.

Die Autorin ist raffiniert genug, die düstere Geschichte zu einem unerwarteten Ende zu bringen. Darüber hinaus schafft sie es, die Freude des Lesers über den Ausgang der Geschichte nicht allzu ungetrübt zu lassen. Und ganz zum Schluss öffnet sie gar noch die Tür zu einer möglichen Fortsetzung. Was nicht das Schlechteste wäre, denn abgesehen von einem weiteren spannenden Fall wäre es eine Freude zu erfahren, wie es im Leben dieser jungen Leute weitergeht.

(RP)
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