Claus Peymann "Trump ist ein Schreckensclown"

Dies ist tatsächlich das Ende einer Ära: Nach 18 Jahren tritt Claus Peymann (79) als Intendant des Berliner Ensembles ab.

Berlin Der Theatermacher verabschiedete sich in Berlin mit großer Geste: Bei der Premiere zu seiner letzten Inszenierung, Kleists "Prinz Friedrich von Homburg", kniete Peymann vor seinem Hauptdarsteller nieder und schlug zum Publikum gewandt die Hände vors Gesicht. Ein Gespräch über Kunst, Trump und die Flucht vor dem Alter.

Bedeutet der Abschied für Sie Melancholie oder Erleichterung?

Peymann Das Berliner Ensemble ist nach all den Jahren meine Heimat geworden, mein Haus. Ich liebe es. Dieses Haus lebt natürlich von der Truppe, die Schauspieler machen ein Theater aus. Als ich nach der "Homburg"-Premiere auf der Bühne stand, wurde mir plötzlich klar, dass ich mit dieser Truppe nie wieder zusammen sein werde. Da hat mich jählings die Begeisterung über die tollen Schauspieler, aber auch ein Abschiedsschrecken erfasst. Darum bin ich vor dem jungen Prinzen von Homburg niedergekniet, wollte aber auch zeigen, dass ich dem Publikum dankbar bin. Also habe ich die Hand vors Gesicht geschlagen. Das ist ja seit der Antike eine Theatergebärde. Ich bin halt Theatermacher, kein Politiker.

Und Sie sind verzweifelt darüber, dass Ihr Nachfolger, Oliver Reese, Ihr Ensemble entlässt.

Peymann Mein Nachfolger ist halt kein Künstler, sondern ein sehr kluger, gebildeter Manager. Ich habe nur immer gedacht, dass an die Spitze eines Hauses wie dem BE ein Künstler gehört. Ich hatte immer die altmodische Theorie, das ein Theater nicht aus Büros heraus geführt wird, sondern von der Bühne aus. Das ist aus der Mode gekommen.

Die Klagen gibt es auch an der Berliner Volksbühne, wo Museumskurator Chris Dercon Intendant wird.

Peymann Das ist, als ob man mich gefragt hätte, neuer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker zu werden. Völlig verrückt! Bundeskanzler oder Verteidigungsminister, ja, das mache ich mit links. Aber die Vermessenheit dieses Museumsdirektors, der jetzt die Volksbühne führt, ist schon atemberaubend. Er ist natürlich nicht schuld an der Lage. Er ist vielleicht ein bisschen dumm, aber schuld sind die Berliner Politiker. Das ist eine Vernichtungsstrategie: Man holt Leute, von denen man weiß, dass sie es nicht können, prompt ist eine Bühne kaputt. Das nenne ich vorausschauende Sparpolitik. Ich hoffe allerdings, dass mein Nachfolger Reese lernt, welchen Schatz er mit dem BE in die Hand bekommt. Dass er die Leute nicht ehrt, die unter meiner Leitung dort gespielt haben, zeigt seine Eitelkeit. Aber ich bin zuversichtlich, dass das BE ein besonderes Theater bleibt - vergleichbar mit dem Burgtheater oder der Comedie Francaise.

Steht mit Reese nicht einfach ein Generationenwechsel an - auch im Führungsstil?

Peymann Die Freiheit und die Tragödie der Theaterkunst liegt darin, dass die Schauspieler Künstler sind, darum lässt sich ein Theater nicht sanieren wie eine Bank. Zum Theater gehören auch die Katastrophe, das Unglück auf der Bühne, keine Darstellerbeamten. Schauspielerei lebt vom Risiko. Man kann den wunderbarsten aller Berufe nicht einhegen mit Ruhezeiten, Gagenangleichung und dem Versprechen, alle sollten mitreden dürfen. Einer muss entscheiden. Die großen Regisseure aller Zeiten haben ihre Truppen doch durch ihre Begabung, ihre Inspiration, ihr Wissen geführt. Von Shakespeare und Molière bis Brecht, Zadek und Peymann. Wir sind ja keine Gewaltherrscher. Wir qualifizieren uns auf der Probe. Nur kleine, miese Spießer wollen das Risiko des Schauspielberufs eliminieren. Damit nehmen sie ihm aber das Herz. Kunst lebt von Freiheit.

Haben Sie deswegen in Ihrer letzten Inszenierung am BE von einem Preußischen Soldaten erzählt, der gegen alle Order seiner Begeisterung folgt? Fehlt es unserer Zeit an Leidenschaft?

Peymann Uns fehlen die Träumer, die besonderen Menschen, die sich nicht einordnen. "Prinz von Homburg" ist ein tragischer Künstler - wie wir alle, die wir uns nicht den gesellschaftlichen Normen unterordnen wollen. Mir schien es auch das richtige Stück zu sein am Ende einer Theaterdirektion, die sich der Literatur und der Aufklärung verschrieben hat. Denn es erzählt von einem Intellektuellen, der scheitert.

Sie glauben, dass die Intellektuellen der Gegenwart scheitern? An Machern wie dem neuen US-Präsidenten Donald Trump?

Peymann Wir sind auf dem Rückzug. Eindeutig. Wir leben in einer Reizgesellschaft: Statt Tiefe zählt die Oberfläche, statt Reife und Weisheit der jugendliche Kick und das Senkrechtstarting. Wie im Fußball.

Früher war alles besser?

Peymann Das sagen die Alten, zu denen ich nun auch gehöre. Das ist natürlich Quatsch. Früher war es nicht besser. Trotzdem glaube ich, dass sich die Gesellschaft gerade auf einen Abgrund zubewegt. Das hat nichts mit Alterspessimismus zu tun. Viele junge Leute empfinden das genauso. Darin steckt allerdings eine Hoffnung. Denn junge Menschen stellen die richtigen Fragen. Das erleben wir bei Publikumsgesprächen. Da wird gefragt, wie es sein kann, dass wir die Bundeswehr wieder aufstocken, mehr Geld für Waffen ausgeben. Wofür brauchen wir die Bundeswehr? Was ist faul in diesem Staat? Ich glaube, dass wir in einer sehr gefährlichen politischen Zeit leben. Es kann sein, dass wir am Vorabend eines neuen Weltbrandes stehen. Und das sage ich nicht aus Resignation oder weil ich Angst vor dem Tod hätte.

Krisenzeiten haben Sie früher für politische Gesten genutzt. Welches Zeichen wäre nach dem Emporkommen Donald Trumps nötig?

Peymann Keins. Der Mann entlarvt sich selbst. Aber Trump ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Zustandes, der in der ganzen Welt herrscht. Wir marschieren mit festen, tödlichen Schritten auf ein neues Mittelalter zu: Religionskriege, Nationalismus, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, und jetzt ist ein halbirrer Nero plötzlich der mächtigste Mann der Welt - das sind alles Brandzeichen. Trump ist ein großer Schreckensclown, wie von Otto Dix gemalt. Ich kann mir vorstellen, dass er auf den Atombomben-Knopf drückt, wenn es für ihn opportun ist.

Wir lernen nicht aus der Geschichte?

Peymann Ich hatte nicht mehr geglaubt, dass es noch Weltkriege geben wird. Ich hatte gehofft, dass die Menschen aus dem fürchterlichen Zweiten Weltkrieg gelernt haben. Doch die Erinnerungen an die Schrecken dieses Krieges kann man denen, die sie nicht erlebt haben, einfach nicht vermitteln. Und so kann man wohl auch nicht verhindern, dass die Menschheit demnächst wieder übereinander herfällt. Dabei müsste man die Dichter nur richtig lesen, Handke, Jelinek, Kehlmann. Dichter sind die großen Propheten, die Seher. In ihren Werken steht ja überall die Apokalypse schon beschrieben. Die Angst, die in den Herzen und Köpfen der Menschen sitzt, ist überall zu spüren.

Wie erleben Sie Ihr Altwerden: Tragödie oder Komödie?

Peymann Weder noch. Ich lebe auf den Augenblick fixiert, auf das Jetzt und das Heute. Nicht gestern. Auch nicht morgen. Ich renne so durch den Tag. Vielleicht laufe ich auch vor der Erkenntnis des Älterwerdens davon. Das kann sein. Ich bin nach wie vor erregbar, ich empöre mich und bin kein bisschen weise. Insofern bin ich vielleicht jünger, als mein Geburtsdatum anzeigt.

(dok)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort