Recklinghausen Überladener Calderón-Abend

Recklinghausen · Der Intendant der Ruhrfestspiele verirrt sich in "Das Leben ein Traum".

Einmal wendet sich Wolfram Koch, der den Sigismund spielt, ans Publikum: "Kann mir jemand sagen, was hier los ist?" Da geht ein Murren durch das Ruhrfestspielhaus. "Nee", raunt eine Zuschauerin, "ich versteh' es auch nicht." Kurz keimt da die Hoffnung auf, dass Frank Hoffmann, Intendant der Festpiele, zu Selbstironie fähig ist und seinen konzeptschweren Abend "Das Leben ein Traum. Calderón" aufbrechen lässt. Doch die Hoffnung ist vergebens. Und immer mehr Zuschauer verlassen während der zweieinhalbstündigen Aufführung ohne Pause frühzeitig den Saal.

Nun könnte man konstatieren, der Fluchtreflex liege darin begründet, dass Menschen sich ungern mit ihrem Geworfensein in diese Welt sowie der Grenze des freien Willens auseinandersetzen und sich lieber nicht damit beschäftigen, wie klein ihr Handlungsspielraum in den gesellschaftlichen Verhältnissen in Wahrheit ist. Denn dieser Abend hätte Potenzial zu einer klugen Veranschaulichung der Philosophie des Determinismus gehabt. Doch er ist hoffnungslos überladen, hat keinen Rhythmus, keine Balance, kein Ziel. Geschichten erzählt er bruchstückhaft, seine Figuren leben nicht, sie sind sprechende Konzepte. Aus Pedro Calderón de la Barcas Versdrama "Das Leben ein Traum" und Pier Paolo Pasolinis Variation "Calderón", mit der sich der Filmemacher kurz vor seinem Tod dem Theater zuwendete, hat Frank Hoffmann ein Stück gebaut, das sich zwischen vielen Zeit- und Bedeutungsebenen verliert. Verbindendes Element ist Rosaura: Sie erwacht in Spanien zur Zeit der Franco-Diktatur, wo sie zu einer adligen Familie gehört, deren Mitglieder Wiedergänger von Calderóns Hauptfiguren sind. Sie verliebt sich in den gescheiterten Revolutions-Heimkehrer Sigismondo - doch er ist ihr Vater. Später öffnet Rosaura als Hure im Palermo des Jahres 1979 die Augen, noch später als Ehefrau in kleinbürgerlichen Verhältnissen der deutschen Gegenwart.

So krude diese Kurzzusammenfassung klingt, bleibt auch die Inszenierung. Die oft keifende Jacqueline Macaulay ist mit der unscharfen Rolle der Rosaura überfordert. Völlig aus dem Ruder läuft das Bühnengeschehen, wenn Fassbinder-Mimin Hanna Schygulla, die so wenig auf der Bühne auftaucht, wie sie wohl an den Proben teilnahm (eigentlich war Hannelore Elsner vorgesehen), zu einem vor Pathos triefenden Schlussmonolog ansetzt. Mit ihm bringt Hoffmann auch noch die Themen Flüchtlingskrise und Konzentrationslager ins Spiel, das unter dieser Last vollends zusammenbricht.

(RP)
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