Venedig Unbedingt anschauen: Schrumpfköpfe und Fitzcarraldo

Venedig · Unbedingt länger verweilen sollte man im koreanischen Pavillon. Auf einem regelrecht den Betrachter einsaugenden Mehrkanalvideo demonstriert eine Femme fragile im weißen Hightechanzug, wie das Leben der Zukunft aussehen wird: aseptisch, arbeitswütig und bis zum letzten Atemzug durchstrukturiert. Das Künstlerpaar Kyungwon & Jeon Joonho lässt seine traurige Heldin blitzschnell mit den Fingern über einen quer im Raum platzierten Touchscreen gleiten. Zum Schlafen reichen nur wenige Momente. Dafür joggt sie ausgiebig in einem Laufrad, das die Natur nur noch vom virtuellen Hörensagen kennt.

Schneller erschließt sich das Video-Treiben im polnischen Pavillon. Die Panorama-Installation von C. T. Jasper und Joanna Malinowska begibt sich auf die Spuren von Fitzcarraldo nach Haiti. Die Bewohner eines Dorfes ertragen scheinbar stoisch eine besondere Aufführung. Die polnische Nationaloper "Halka" ist ihnen zwar kein Begriff, aber der interkulturelle Austausch mit einer Ziege in der Hauptrolle wirkt dermaßen aus der Zeit gefallen, dass sich das erheiterte Biennale-Publikum aus dem Dschungel gar nicht mehr verabschieden will. Kurios auch das Sammelsurium, das Fiona Hall im australischen Pavillon präsentiert. In dem atmosphärisch abgedunkelten Raum treffen Kuckucksuhren auf selbst gestrickte Schrumpfköpfe, Collagen aus Dollar-Noten und Baumblättern auf die Hoffnung, hinter dem globalen Rennen nach Geld und Macht möge noch irgendwo ein Ausstieg winken.

Wer schon immer mal in die Biblioteca Marciana am Markusplatz blicken wollte, sollte den Wunsch diesmal in die Tat umsetzen. Wann bekommt man schließlich in einem derart prächtigen Umfeld einen NSA-Server präsentiert? Simon Denny wagt für Neuseeland das Unmögliche: Er verwandelt unser aller Überwachungsphobien in konkrete Installationsgespenster, von Snowdens Recherchematerial bis zu digitalen Spioniertechniken.

Auch die Überfahrt auf die Insel San Giorgio Maggiore sollte man nicht scheuen. In der Kirche empfängt zur Abwechslung ein freundlicher Geist von Jaume Plensa die Besucher. Ein durchsichtiger Menschenkopf aus Stahldrähten, der einem Computerprogramm entstammen könnte. Der Riese hält die Augen geschlossen. Ob er betet? Oder sinniert er nur über die nächste Cyberattacke?

(aw)
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