Unsere verrückte Sprache

Mannheim Unsere Sprache hat es nicht leicht: Verhunzt von der Jugend (Kiezdeutsch), verhöhnt von der Rechtschreibreform, verdrängt von Anglizismen. Denken wir doch bloß ans "Handy", den "Smoking", den "Twen", den "Dressman" und das "Public Viewing". Das aber ist nun leider sehr falsch gedacht, weil es diese Wörter im Englischen gar nicht gibt. Denn das Handy heißt dort "mobile phone" und der Smoking "dinner jacket"; allerdings ist das Public Viewing auch im englischen Sprachraum geläufig, nur ist damit die öffentliche Aufbahrung eines Toten gemeint.

Verrückte Sprachwelt, und wer ins Detail geht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Wie auch die Mannheimer Dudenredaktion, die in einer Zeit inspirierter Muße lauter unnützes Sprachwissen sammelte und jetzt in einem kleinen, aber anekdotenreichen Sammelsurium veröffentlichte.

Trotz vieler Überraschungen bleibt natürlich die Sorge um unsere Sprache angesichts vieler Anglizismen: von der Deadline bis zur Flatrate, vom Briefen bis zum Stylen, vom Outlet bis zum Flyer. Allerdings sind auch die Engländer nicht ganz ungeschoren davongekommen, die etliche deutsche Wörter mittlerweile ihr Eigen nennen. Neben dem berühmten "kindergarten" sind das unter anderem die "leber-" und die "knackwurst", das "kriegsspiel" und das "wunderkind", das "waldsterben" und das "sauerkraut" wie auch die "autobahn" und die "lebkuchen".

Irgendwie geht es sprachlich hin und her, und das schon seit ein paar Jahrhunderten. Denn unsere Sorge vor fremden Spracheinflüssen ist nicht gerade neu. Bereits im 17. Jahrhundert hat es viele ernsthafte Versuche gegeben, damalige Fremdwörter mehr oder weniger einfallsreich zu verdeutschen. Wer heute die Übersetzungsangebote liest, begreift schnell, warum solche Rückverwandlungen oft zum Scheitern verurteilt waren. Statt Mumie "Dörrleiche" zu sagen, behagt uns ebenso wenig wie die "Zeugemutter", die das Fremdwort Natur ersetzen sollte. Auch andere Bemühungen wirken hilflos.

Zu Recht ist heute keine Rede mehr von Kirchentisch (Altar), Spottnachbildung (Parodie), Meuchelpuffer (Pistole) und Tageleuchter (Fenster). Dass wir uns mit fremden Wörtern sprachlich abgefunden und versöhnt haben, erscheint mehr als Segen denn als Fluch. Und noch gibt es deutsche Wörter ohnehin in rauen Mengen: zwischen 300 000 und 500 000. Und was machen wir damit? Um die meisten kümmern wir uns gar nicht. Zum aktiven Wortschatz eines Durchschnittssprechers zählen bloß zwischen 12 000 und 16 000 Wörter.

Dabei gibt es so schöne, und man kann fast melancholisch werden bei der Liste jener Wörter, die vom Aussterben bedroht sind. Leider zählt dazu nicht die "Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung" (mit 67 Buchstaben offiziell unser längstes Wort), sondern die Depesche und der Fidibus, der Oheim und der Zwist, das Vorwalten und das Poussieren. Schade eigentlich.

Merkwürdig für alle Sprachpfleger ist eine andere Erkenntnis von Wissenschaftlern der Universität Cambridge. Denn danach ist es gleichgültig, an welcher Stelle ein Buchstabe in einem Wort steht – den Sinn erfassen wir stets mühelos: "Die rsetclhien Bshcuteban kenönn ttoal druchenianedr sein, und man knan es tortzedm onhe Poreblme lseen." Vrrecükt, orde?

Info "Unnützes Sprachwissen". Duden-Verlag, 80 Seiten, 5 Euro

(RP)
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