Untergangsprophet für Europa

Der Soziologe Runkel sieht Multikulti als Grund für Europas Niedergang.

Die Öffnung der Grenzen Europas für Masseneinwanderung aus Arabien und Afrika im vergangenen Jahr hat die Europadebatte weiter polarisiert. Während das linke Spektrum die beschleunigte Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa" fordert, fürchten die Konservativen wie Hans Kundnani, dass ein "übertriebener Moralismus Europa in den Untergang schickt". Ins gleiche Horn stößt Gunter Runkel, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Lüneburg, in seinem Buch "Die Zukunft Europas. Der Untergang Europas".

Dabei wird deutlich, dass die Öffnung der Grenzen im Herbst 2015 Auslöser dieser Entwicklung ist. Im Mittelpunkt stehen denn auch diese Zuwanderung, das Euro-Beispiel Griechenland sowie, etwas verloren angehängt, die Gender-Politik in Europa, offenbar ein Spezialgebiet des Autors.

Seine Hauptthese versucht der Autor gleich zu Beginn durch Bezug auf seinen berühmten Vorgänger und Fachkollegen Max Weber und dessen Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik zu belegen. Dies bleibt auf den wenigen dafür eingeräumten Seiten allerdings recht dünn und erschließt dem Leser nicht den Alarmismus, der das Buch in weiten Teilen durchzieht. Weitaus tragfähiger erscheint als Begründung weniger eine ausufernde Gesinnungsethik, sondern der Versuch wichtiger Teile westeuropäischer Eliten, eine multikulturelle Bevölkerung in Europa als neue Basis für ein europäisches Staatsvolk und die Vereinigten Staaten von Europa zu schaffen. Unterschiedliche Interessen erklären die heutige Polarisierung weit besser als unterschiedliche Moralismen.

Das Büchlein weist deutliche Aussagen zu europäischen Fehlentwicklungen auf. Dies gilt vor allem für die beiden Schlusskapitel: Hier spricht der Autor von einer "Aushöhlung der Demokratie", dem Aufscheinen eines "neuen, postdemokratischen Obrigkeitsstaates", einer "eigentümlichen Symbiose von Politik- und Finanzmarktakteuren". Runkels Ziel: "Die schrittweise Einführung einer ,Europäischen Konföderation' nach dem Schweizer Vorbild" anstelle der "von den jetzigen Brüsseler Eliten geplanten stärkeren politischen Union, die in einem Einheitsstaat nach französischem Muster enden soll".

Runkel will ein "Europa der Vaterländer" und präsentiert neue Vorschläge, auch wenn die Grundidee älter ist. Dafür liefert er "Eckpunkte", die sich mit einer Euro-Reform beispielsweise durch die Einführung von Parallelwährungen für schwache Euroländer oder dem zeitweiligen Ausstieg aus der Währungsunion beschäftigen. Wie das geschehen soll, bleibt offen, zumal er zu Recht darauf verweist, dass die Politik der Bundesregierung in der Euro-Frage darin bestehe, "Stück für Stück, wenn auch mit gespieltem Widerstreben, immer weiter nachzugeben". Folge: Die Defizitländer werden auf Dauer alimentiert.

Das Buch ist ein Schnellschuss, was man der Konzeption und einzelnen Teilen durchaus anmerkt. Das mindert nicht seine Berechtigung, wohl aber seine Schlussfolgerungen. Die Berücksichtigung alternativer Konzepte und ihre überblicksartige Vorstellung dienen ihm als Folie für seine Thesen, einer Streitschrift ähnlich, beispielsweise bei der Vorstellung parteipolitischer Positionen. Dennoch kann das Buch als leicht verständliche Einführung in aktuelle europapolitische Themen genutzt werden.

(RP)
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