Venedig Venedig-Auftakt mit Bullock und Clooney

Venedig · Im Eröffnungsfilm "Gravity" spielen sie zwei Astronauten, deren Space Shuttle explodiert.

Sandra Bullock und George Clooney kämpfen ums Überleben. Mit der Wucht, die 3D-Filme entfalten, ist ihr Space Shuttle explodiert. Nun müssen sie sich in "Gravity" allein in der Schwerelosigkeit behaupten. Mit diesem ungewöhnlichen Science-Fiction-Drama haben die 70. Filmfestspiele von Venedig begonnen. Der Mexikaner Alfonso Cuarón verbrauchte ein 80-Millionen-Dollar-Budget für ein Zweipersonenstück, das allein machte schon neugierig. Dazu sind ernsthafte Weltraum-Dramen so selten geworden wie echte Western. Der Eröffnungsfilm, der nicht im Wettbewerb läuft, war also geschickt gewählt, und er sorgte für den ersten Glanz am roten Teppich: Beide Hauptdarsteller kamen nach Venedig – und gaben ein überraschend stimmiges Paar ab.

Festivaldirektor Alberto Barbera hat für die nächsten Tage ein breites Spektrum an Filmgattungen in den Wettbewerb gehoben, darunter zwei Dokumentarfilme und ein Zeichentrickfilm, der bereits für den ersten Skandal des Festivals sorgt: Es ist ausgerechnet ein Film des für seine pazifistischen Botschaften bekannten japanischen Animationsstudios Ghibli. Hayao Miyazaki, der unbestrittene Großmeister des Anime, erzählt in "Kaze Tachinu" ("The Wind Rises") aus der Biographie des Flugzeugentwicklers Jiro Horikoshi. Auch wenn die Geschichte endet, bevor seine bedeutendste Entwicklung, das Kampflugzeug Mitsubishi A6M Zero, Pearl Harbor verwüsten helfen wird, ist das Thema in Japan höchst umstritten. Für den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe ist der Zero in Japans "beschämender Geschichte" des Zweiten Weltkriegs "eines der wenigen Dinge, auf die wir Japaner stolz sein können". Miyazaki sieht seine Heldengeschichte allerdings völlig unpolitisch. Im Gegenteil erklärte der Flugzeugfan zum japanischen Filmstart am 20. Juli, mit seiner Ehrung wolle er Horikoshi aus den Händen der rechten Vereinnahmung reißen. In der Hauszeitschrift des Studio Ghibli wandte er sich entschieden gegen die Absicht des Ministerpräsidenten, die pazifistische Verfassung zu ändern, und forderte eine Entschuldigung seines Landes für während des Krieges als Zwangsprostituierte missbrauchte koreanische und chinesische Frauen. Horikoshi sei es nicht um Waffen gegangen, sondern lediglich um ein "schönes Flugzeug".

Noch bevor die Jubiläums-Filmfestspiele so richtig begonnen haben, ist in Venedig also eine alte Debatte wieder lebendig geworden. Schließlich sahen sich die Preisträger aus den Gründungstagen des Festivals in der Mussolini-Zeit – Leni Riefenstahl oder die italienischen Monumentalfilmer Augusto Genina und Alessandro Blasetti – auch in erster Linie der Schönheit verpflichtet. Unpolitisch war ihre Kunst dennoch nicht.

Auch der Düsseldorfer Philip Gröning hat sich für seinen deutschen Beitrag ein Thema ausgesucht, das besonders in Italien derzeit von den Medien sehr ernst genommen wird: Gewalt in der Ehe. "Die Frau des Polizisten" zeigt häusliche Gewalt aus kindlicher Perspektive und setzt auf Improvisation in der Inszenierung. Auch in der von Bernardo Bertolucci geleiteten Jury hat das deutsche Kino diesmal einen Platz: Martina Gedeck ist als Jurorin am Lido.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort