Im Alter von 86 Jahren Kabarettist Dieter Hildebrandt ist tot

München · Erst am Dienstagabend wurde die Krebserkrankung von Dieter Hildebrandt bekannt. In der Nacht darauf starb der 86-jährige Kabarettist. Er war jahrelang das Gesicht des "Scheibenwischers". Bis zum Schluss hatte er Pläne.

Die Karriere des Dieter Hildebrandt
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Der Kabarettist Dieter Hildebrandt ist tot. Er starb in der Nacht zu Mittwoch in einem Münchner Krankenhaus im Alter von 86 Jahren. Erst am Dienstag war bekanntgeworden, dass Hildebrandt an Krebs erkrankt war, als einer von immer mehr Prominenten machte er seine Erkrankung öffentlich. Er lag nach Angaben seines engen Freundes Dieter Hanitzsch auf der Palliativstation. Hildebrandt prägte das politische Kabarett in Deutschland über Jahrzehnte.

Er sei im Kreis seiner Familie gestorben, teilten seine Frau Renate und wenig später auch die Münchner Lach- und Schießgesellschaft mit, deren Mitbegründer Hildebrandt war. "Bis zum Schluss hatte er Pläne, hatte gekämpft und wollte sich im Dezember auf der Bühne der Münchner Lach- und Schießgesellschaft von seinem Publikum verabschieden. Er hätte uns noch so viel zu sagen gehabt. Wir trauern mit seiner Familie um einen wunderbaren Menschen, lieben Freund, Förderer und eine moralische Instanz", schrieb die Gesellschaft auf ihrer Internetseite.

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Gesicht von "Scheibenwischer"

Hildebrandt war einer der bekanntesten Kabarettisten der Bundesrepublik, war bis 2003 jahrelang das Gesicht der ARD-Sendung "Scheibenwischer". Auch für Helmut Dietls Kult-Serie "Kir Royal" stand Hildebrandt als Fotograf "Herbie" an der Seite von "Baby Schimmerlos" (Franz-Xaver Kroetz) vor der Kamera. Für die Kino-Fortsetzung "Zettl" übernahm er die Rolle noch einmal. Bis 1980 liefen Hildebrandts "Notizen aus der Provinz" im ZDF, nach einer im Wahljahr erzwungenen Sendepause wechselte er zum Sender Freies Berlin.

Hildebrandt wurde im schlesischen Bunzlau geboren und begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium in München, wo er seither lebte. Er entdeckte zunächst die Liebe zur Schauspielerei, doch bei der sogenannten Schauspielergenossenschaftsprüfung fiel er durch.

Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er nach seinen Intermezzi als Platzanweiser und als Mitglied in einem Studentenkabarett 1956 die Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Die Diagnose Prostatakrebs hatte er nach Informationen der Münchner Zeitung "tz" erst im Sommer bekommen. Er sagte daraufhin alle Auftritte ab. Nachdem sich sein Zustand vor wenigen Wochen gebessert hatte, durfte er zunächst nach Hause. Dann habe es aber einen schweren Rückschlag gegeben und er sei erneut in die Klinik gekommen.

"Ein großer Verlust"

Der Chef des Düsseldorfer "Kom(m)ödchens", Kay Lorentz, hat Hildebrandt gewürdigt. Hildebrandt sei bis ins hohe Alter "blitzschnell im Kopf" gewesen, sagte er der dpa. "Ich habe den Mann immer schon bewundert, auch zu Zeiten meiner Eltern." Seine verstorbenen Eltern Kay und Lore Lorentz gehörten mit Hildebrandt - mit dem sie auch befreundet waren - zu den Urgesteinen des bundesdeutschen Kabaretts. Lorentz rühmte Hildebrandts "graden Rücken" und seine unbeugsame Haltung. "Ich fand es immer nachvollziehbar, wie er sich verhalten hat, wenn er irgendwelche Statements abgegeben hat." Das letzte Mal sei Hildebrandt vor etwa eineinhalb Jahren in seinem Haus gewesen. "Das war ein Highlight im ganzen Jahr, einen solchen Mann nochmal auf der Bühne zu haben ... das war natürlich ausverkauft", sagte er. Lorentz führt das von seinen Eltern gegründete "Kom(m)ödchen" weiter.

Aus Sicht seines früheren "Scheibenwischer"-Kollegen Bruno Jonas hat niemand die Kabarett-Szene der Bundesrepublik so geprägt wie Dieter Hildebrandt. "Er war in seiner Art, Kabarett zu machen, Maßstab setzend", sagte Jonas am Mittwoch der dpa in München. "Er war einmalig." Die Zusammenarbeit mit Hildebrandt, mit dem Jonas von 2000 bis zu Hildebrandts Ausscheiden 2003 fest im "Scheibenwischer"-Team war, sei sehr prägend gewesen. "Wir haben sehr viel miteinander geschrieben, gedacht, gesponnen, diskutiert, debattiert." Er habe an Hildebrandt gemocht, dass er "ein sehr spontaner und schneller Denker" war - und sehr neugierig. Zum letzten Mal hätten sich die beiden vor 14 Tagen bei Hildebrandt zu Hause getroffen. "Da war er noch voller Tatendrang und wollte im Dezember wieder auf die Bühne", sagte Jonas. "Er war ein Kämpfer."

"Es ist ein großer Verlust", sagte sein Freund Hanitzsch, mit dem Hildebrandt das Online-Kabarett-Projekt "Störsender.tv" auf die Beine gestellt hat. "Für uns alle." Am Mittwoch stand auf der Startseite des Projekts: "Danke, lieber Dieter, für alles."

Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte ein Zitat von Hildebrandt zur ARD-Themenwoche "Glück": "Glück ist vergänglich. So schnell vergänglich, dass man im Glück schon ein Bedauern spürt — man hat es gehabt, man kann es nicht wiederholen."

(dpa)
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