Warum das Impfen unerlässlich ist

Gegen viele Kinderkrankheiten gelang der Durchbruch in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Es wurden Massenimpfungen möglich. Sie bieten auch heute noch weitreichenden Schutz gegen viele tückische Infektionen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine hohe Durchimpfung der Bevölkerung.

Bis weit ins 20. Jahrhundert traten weltweit Epidemien auf, die oft zum Tod vieler Kinder führten. Noch 1870 starben 250 von 1000 Neugeborenen bis zum fünften Lebensjahr. Vor allem die Pockenkrankheit forderte viele Menschenleben.

Wie reagierte die Welt? Schon lange war bekannt, dass Menschen, welche die Pocken oder die mildere Variante der Kuhpocken überstanden hatten, gegen erneute Erkrankung geschützt waren. Diese Erkenntnis führte dazu, dass sich gesunde Personen mit Körperflüssigkeiten und Pockenkrusten von Erkrankten infizierten, um sich gegen die Erkrankung zu schützen. Versuche von Edward Jenner in England im 18. Jahrhundert, der mit Material erkrankter Kühe gesunde Personen infizierte, die sich später als immun gegen die Pocken erwiesen, sprachen sich herum. Er nannte das Material der erkrankten Kühe "Vaccine", von der Kuh stammend; den Vorgang dieser Immunisierung beschrieb er als Vaccination.

Die infektiösen Ursachen dieser Epidemien wurden ab dem 19. Jahrhundert durch die Entdeckung der Bakterien als Krankheitsauslöser verstanden. Hier leisteten Robert Koch, Louis Pasteur und andere Forscher bahnbrechende Arbeit. Durch akribische Untersuchung des Gewebes verstorbener Tiere fanden sie die stäbchenförmig aussehenden Bakterien. Sie entwickelten Techniken, um diese Organismen zu isolieren und zu kultivieren, übertrugen sie auf gesunde Tiere, die zumeist erkrankten, und bewiesen so deren krankheitsverursachende Wirkung. Nun schwächten sie die Erreger ab und übertrugen sie auf gesunde Tiere. Das Tier erkrankte nicht und war gegen eine spätere Infektion mit dem Erreger immun. In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr Bakterien, ab 1900 auch Viren entdeckt.

Von vielen infektiösen Krankheitsbildern, die für das frühe Kindesalter typisch waren wie Tetanus, Diphtherie, Polio, Keuchhusten, Masern, Gehirnhautentzündungen und erstickende Kehlkopferkrankungen durch Hämophilus influenzae B (HiB), waren bald die Erreger bekannt. Gegen viele Kinderkrankheiten gelang der Durchbruch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts: Es wurden Massenimpfungen möglich, zunächst gegen Poliomyelitis (Schluckimpfung), die innerhalb weniger Jahre weltweit zu einem eindrucksvollen Rückgang der Erkrankungszahlen führten und die Wichtigkeit und Effektivität dieser vorbeugenden Maßnahme nachhaltig belegten.

Das Baby kommt mit einem kompetenten Immunsystem auf die Welt. In den ersten drei Monaten ist es durch Antikörper von der Mutter geschützt. Danach muss sich jedes Kind eine "Antikörper-Datenbank" selbst aufbauen. Der natürliche Weg dahin sind die lästigen Infekte (Husten, Schnupfen, Durchfall, Fieber) durch Viren und Bakterien. Die Impfungen reihen sich ein in dieseFolge von Infektionen: Sie lösen immunologische Reaktionen beim Kind aus, die zur Bildung von Gedächtniszellen und spezifischen Antikörpern führt, also die "Antikörper-Datenbank" füllt. Der Unterschied zur natürlichen Infektion ist, dass die Krankheitserreger abgeschwächt oder abgetötet ins Kind gelangen, dort nicht die Krankheit, sondern nur die immunologische Antwort hervorrufen – mit dem Ergebnis eines anhaltenden Schutzes vor dem Keim.

Für Nebenwirkungen der Impfungen mit schwerer Schädigung des Impflings werden Risiken von unter 1 : 1 000 000 errechnet. Alle Impfkomplikationen werden vom Robert-Koch-Institut erfasst und analysiert. Ergeben sich Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Symptomen, wird der Impfstoff vom Markt genommen. Die meisten Berichte über schwere Impfkomplikationen, etwa durch verunreinigte Impfstoffe, datieren aus der Anfangszeit der Massenimpfungen, also ab den 30er Jahren.

Durch die Kombinationsimpfungen wird der Körper der Säuglinge nicht überfordert. Sie werden durch die Impfung ja nicht krank. Wohl aber arbeitet ihr Immunsystem. Dafür ist es bestens ausgestattet. Hier ist übermäßige Sorge nicht angebracht. Die leichten Beschwerden, etwa Fieber und Rötungen oder Schwellungen der Einstichstellen, werden fast immer von anderen Impfstoffbestandteilen verursacht und klingen schnell ab. Die vorsorgliche Gabe von Fieberzäpfchen ist wenig sinnvoll. Unsinnig ist es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Einzelimpfstoffe zu verwenden oder bei seinem Kind ein eigenes Impfschema durchzuführen. Mit diesem Vorgehen erhöht man lediglich das Risiko für das Kind, an einer der Infektionen zu erkranken.

Da einige der Erreger nur den Menschen als Wirt haben (so die Polio- und Masernviren), erscheint es möglich, diesen Erregern durch Austrocknung die Lebensgrundlage zu nehmen. Man kann dies durch einen hohen Durchimpfungsgrad der Bevölkerung erreichen. Dann sind auch nicht geimpfte, abwehrgeschwächte und chronisch kranke Menschen oder junge Säuglinge vor den ersten Impfungen geschützt, man nennt es Herden-Immunität. Für Diphtherie, Polio und Tetanus hat man dies fast erreicht, man beobachtet aber immer wieder Ausbrüche unter Volksgruppen, die sich beispielsweise aus religiösen Gründen nicht impfen lassen.

Ein Wiederanstieg von Erkrankungszahlen geht fast immer mit einem abfallenden Durchimpfungsgrad einher. Deswegen bedarf es unentwegter Aufklärung und Auffrischimpfungen, insbesondere im Erwachsenenalter. Die meisten Argumente der Impfgegner lassen sich leicht entkräften.

(RP)
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