Was sich in Pferdeaugen spiegelt

"Von Menschen und Pferden" ist eine skurrile Komödie aus Island.

Die Gegend ist einsam, sogar für isländische Maßstäbe. Hochebenen, die sich bis zum Horizont dehnen, nächste Nachbarn, die kilometerweit entfernt wohnen. Hier redet man nicht viel. Mit wem auch? Aber ein Pony hat man für die Wege. Und ein Fernglas für Tage, an denen es mal was zu sehen gibt. Heute ist so ein Tag. Der nicht mehr taufrische Junggeselle Kolbeinn (Ingvar E. Sigursson) sattelt seine hübsche weiße Stute und klappert los zum Rendezvous mit der Witwe Solveig (Charlotte Bøving), und die komplette Nachbarschaft sieht von den Veranden aus zu. Kolbeinn weiß das und genießt es, weil sein Pferdchen so anmutig dahin töltet. Nur leider sieht Solveigs schwarzer Hengst das auch, bricht aus seiner Koppel aus und paart sich ungestüm mit der Stute. Auf der immer noch Kolbeinn kauert. Schrecklich gedemütigt im Fokus dutzender Ferngläser.

So wie das Islandpony die schwierige Pferdegangart Tölt von Geburt an beherrscht, ist das skandinavische Kino kaum zu schlagen, wenn es um kantige Gesichter und bizarren Humor geht. Das Filmdebüt "Von Menschen und Pferden" des isländischen Theaterregisseurs Benedikt Erlingsson, Islands Vorschlag für den Auslandsoscar 2014, hat reichlich von beidem. Mal urkomisch, mal tief tragisch, mit nüchterner Poesie und wild schönen Bildern erzählen die Episoden von den Beziehungen zwischen Pferden und Pferden, Menschen und Pferden und Menschen und Menschen. Wobei nur Erstere wirklich unkompliziert sind.

Jede Geschichte beginnt mit der Nahaufnahme eines glänzenden Pferdeauges, in dem sich etwas Menschengemachtes spiegelt. Ein Reithandschuh, ein Jeep, ein stacheliges Stück Draht. Schnell fällt auf, wie erbarmungswürdig kompliziert menschliches Gewese wirkt, wenn man es mal aus dem Blickwinkel einer schlichteren Spezies betrachtet. Da ist Kolbeins verklemmtes Gebalze um Solveig. Die Dummheit eines Trinkers (Steinn Ármann Magnússon), der auf seinem Pony zu einem russischen Kutter hinüberschwimmt, um ein paar Kanister Wodka klarzumachen. Die clevere Dorfschönheit (Sigriur Maria Egilsdóttir) fängt spielend fünf Ponys gleichzeitig ein und die Herzen aller anwesenden Männer gleich mit. Und ein südländischer Tourist (Juan Camillo Roman Estrada) verirrt sich des Nachts mit seinem Mietpferdchen im eisigen Nirgendwo. Weil im nordischen Kino die Natur meist siegt, ist die Sterberate ordentlich hoch. Männer vergiften sich mit russischem Alkohol, überfahren einander mit Traktoren, geraten in ihren eigenen Stacheldraht. Die Zahl der Witwen wächst, die um Kolbeinn buhlen. Währenddessen lernt man die Figuren kennen, erstaunlich gut für einen Film, in dem viel beobachtet und sehr wenig gesprochen wird. Die Darsteller spielen gelassen, die Tiere sind den Menschen Freund, Transportmittel, Statussymbol, Lebensretter. Und, in ein paar blutigeren Szenen, auch mal Opfer.

Da beruhigt es zu wissen, dass Erlingsson, Schauspieler und Crew erklärte Pferdenarren sind. Kein Tier kam beim Dreh zu Schaden. So töltet der Film heiter grotesk dahin - mit wirklich guten Geschichten.

"Von Menschen und Pferden", Euro Video , 78 Minuten, etwa 14,99 Euro

(RP)
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