Köln WDR verkauft 50 Kunstwerke in London

Köln · Unter sechs Auktionshäusern fiel die Wahl auf Sotheby's. Politiker und Kunstexperten kritisieren die Entscheidung. Es habe ein faires Verfahren gegeben, betont der Sender. Ziel der Auktion sei "ein bestmögliches wirtschaftliches Ergebnis".

Alle Kunstwerke, die dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) gehören und mehr als 5000 Euro wert sind, kommen nächstes Frühjahr in London beim Auktionshaus Sotheby's unter den Hammer. Das sind rund 50 von 600 Werken, die der WDR selbst nicht als "Sammlung" bezeichnet, sondern als "Ansammlung" von Bildern, Fotos, Skulpturen und Drucken. Mit den Erlösen, die nach WDR-Angaben im Höchstfall auf drei Millionen Euro geschätzt werden, will die Rundfunkanstalt ihrem Sparziel näher kommen: Bis 2020 will sie jährlich 100 Millionen weniger ausgeben.

Unter den 50 Kunstobjekten befinden sich vier Spitzenwerke, die sechs- bis siebenstellige Summen erzielen sollen, unter anderem Ernst Ludwig Kirchners "Berglandschaft mit Almhütten" (1921) und Max Beckmanns "Möwen im Sturm" (1942). Beide Bilder zählen nach Expertenangaben nicht zu den Raritäten auf dem Weltkunstmarkt. Erworben wurden die Gemälde vor allem in den Jahren 1956 bis 1965 zu kleinen Preisen. Einige Bilder sollen mit Überschüssen aus Werbeeinnahmen finanziert worden sein. Die Werke wurden angeschafft, um Büros, Arbeitsräume und Studios auszustatten. Statt Urlaubs- und Familienfotos an den Wänden zuzulassen, wollte die Intendanz mit der Kunst Signale setzen, ein kulturell geprägtes Arbeitsklima schaffen, selbstredend das Image pflegen.

"Das, was die Kunstwerke bei einer Auktion einbringen könnten, sind Peanuts, gemessen an dem, was der WDR braucht", sagt Walter Vitt, der ab 1987 als Kunstbeauftragter Werke für den Sender ankaufte. Der Kunstexperte kritisiert dessen Entscheidung, Teile seiner Kunst zu veräußern. "Der WDR ist eine Kulturinstitution: Es ist sein Auftrag, ein zeitgenössisches Fernsehprogramm zu machen, und die Gegenwartskunst muss ein Spiegelbild der Arbeit sein", sagt Vitt. Seines Erachtens nach werde das Kirchner-Gemälde, das im Büro des Intendanten hing, den höchsten Wert erzielen. Es war 1956 für 8000 Mark gekauft worden, 1997 wurde es auf 800 000 Mark geschätzt, nun dürfte sein Wert deutlich höher liegen. Beckmanns "Möwen" waren 1998, als sie für eine Ausstellung nach Hamburg ausgeliehen waren, für 350 000 Euro versichert worden. Im Besitz des WDR befinden sich außerdem Werke von Karl Hofer, Heinz Trökes, Gerd Winner, Bernard Schultze, Camille Leberer, Frank Badur und Lienhard von Monkiewitsch.

Dass ausgerechnet London und nicht die vier ebenfalls interessierten deutschen Auktionshäuser die Versteigerung durchführen wird, sorgt für Unmut. Gestern war etwa Markus Eisenbeis von Van Ham in Köln noch nicht einmal darüber informiert, dass er nicht zum Zuge kommen wird. Er kann aus vielerlei Gründen nicht nachvollziehen, dass die Werke im Ausland verkauft werden. "Dadurch entgehen uns Steuern in Deutschland, wo die Kunst angeschafft wurde", sagt Eisenbeis, "nicht nur Mehrwertsteuer, sondern auch Gewerbesteuer."

Der WDR betont den "transparenten und unabhängigen Wettbewerb" des Verfahrens, in dessen Verlauf sechs Auktionshäuser - zwei in Köln, zwei bundesweit vertretende Auktionatoren sowie zwei international tätige Häuser - ihren Hut in den Ring geworfen hatten. Dem besten Angebot habe man den Zuschlag gegeben, so der Sender, auch unter der Maßgabe, sowohl einen nationalen wie internationalen Interessentenkreis zu erreichen und ein bestmögliches wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen.

Die Landespolitiker bewerten den aktuellen WDR-Fall unterschiedlich. Thomas Sternberg (CDU) sagt: "Der Verkauf der Kunst des WDR ist ein falsches Signal, leistet keinen nachhaltigen Sparbeitrag - und ist überflüssig noch dazu." So verspiele der WDR sein kulturpolitisches Renommée. Andreas Bialas von der SPD ist auch nicht angetan von den Verkaufsabsichten: "Ich bedauere diesen Weg sehr", sagt er. Ein Befürworter des Kunstverkaufs ist hingegen der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Oliver Keymis. "Der WDR soll sein Geld in die Qualität des Programms investieren und nicht in den Ankauf von Kunst", sagt er. Der WDR müsse sparen und konsolidieren, dazu gehöre auch der Verkauf von Wertgegenständen. Das sieht Walter Vitt anders, er sagt: "Wenn Intendant Tom Buhrow meint, er müsse die Kunstwerke verkaufen, dann hat er kein ästhetisches Bewusstsein."

Auch Staatsministerin Monika Grütters (CDU) kritisiert den Verkauf als "rücksichtslos gegenüber der Kunstgeschichte, der Sammlungsgeschichte des Rheinlands und der Öffentlichkeit". Nach der Empörung über die Verkäufe zweier Warhols aus NRW-Besitz sei sie irritiert darüber, wie "hemmungslos Kunstwerke zu reinen Spekulationsobjekten degradiert werden." Das schrieb sie in einem Brief an den WDR-Intendanten Buhrow.

(RP)
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